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Zweite Digitale Religionsgespräche: Stärker für Schutz der Umwelt einsetzen

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Darmstadt (abrahamisches-forum.de). Bei den zweiten Digitalen Religionsgesprächen haben Vertreter:innen von sieben verschiedenen Religionsgemeinschaften ihren offenen Dialog fortgesetzt. Dabei bekräftigten sie die Absicht, sich künftig gemeinsam stärker für den Schutz der Umwelt einsetzen zu wollen. „Religionen haben ein eigenes Gewicht, das sie einbringen können“, betonte der Geschäftsführer des Abrahamischen Forums, Jürgen Micksch, am Dienstagabend in der Videokonferenz. Der Vertreter der Eziden, Irfan Ortac, sieht dabei vor allem die Religionsvertreter:innen in der Verantwortung. Sie müssten den Schutz der Umwelt viel stärker in ihre Gemeinden hineintragen. „Aus unserer Perspektive hat Gott diese Welt erschaffen“, sagte Ortac. „Sie ist unser Paradies.“

Aus theologischer Sicht seien Bäume, Wasser und Luft genauso schützenwert wie das Leben der Menschen. „Meiner Meinung nach sollten sich alle Religionen auf den Schutz der Umwelt konzentrieren“, meinte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland. Schließlich sei die Mehrheit der Bevölkerung in religiösen Gemeinschaften eingebunden. Auch Rafet Öztürk von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) hob hervor, dass die Gemeinden aktiver werden sollten. „Es ist Zeit, dass wir aufstehen“, betonte Öztürk. Gemeinsam gelte es darüber nachzudenken, wie eine praktische Umsetzung aussehen könnte. „Die Lage ist ernst, wir müssen etwas tun.“ Auch er sieht es als Aufgabe der Religionsvertreter:innen an, Impulse in die Gemeinden hineinzutragen.

Andreas Mues vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) betonte, dass es mit dem Bündnis „Religionen für biologische Vielfalt“ bereits einen sehr guten Ansatz gebe. Der Schutz der Umwelt sei in allen Religionen verankert. „Bei dem Thema finden sich viele Gemeinsamkeiten“, betonte Mues. Wer darüber diskutiere, finde direkt Anknüpfungspunkte für eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: „Unbestritten ist, dass wir als Menschheit an der Klippe stehen“.

Die digitalen Gespräche sollen zum besseren Verständnis zwischen den Religionsgemeinschaften beitragen. In der Regel nehmen daran teil Vertreter:innen von Alevitentum, Bahaitum, Buddhismus, Christentum, Ezidentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Sikh-Religion. Schwerpunkte sind Themen des Zusammenlebens. Bei den zweiten Religionsgesprächen ging es neben Umweltschutz auch um Fragen nach Essensvorschriften und Gleichberechtigung.

So erfuhren die Teilnehmer:innen zum Beispiel, dass es im Buddhismus sehr umfangreiche Regeln für das gemeinsame Essen gibt und genau festgelegt ist, wo Löffel und Schalen platziert werden. „Das hängt zusammen mit unserer Achtsamkeitspraxis“, berichtete Werner Heidenreich von der Deutschen Buddhistischen Union (DBU). „Es geht um hohe Präsenz und Respekt für das Essen.“ Im Ezidentum ist Kohl streng verboten, außerdem kein Schweinefleisch erlaubt. Je nach Kulturkreis dürfen zudem keine Bohnen oder kein Hühnerfleisch verzehrt werden. Im Islam sind Schweinefleisch und Alkohol tabu. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass Speisen „halal“ – sprich nach islamischen Glauben erlaubt – sind. Die Aleviten essen kein Kaninchenfleisch, Alkohol ist in Maßen gestattet, allerdings nicht in Cemhäusern.

Bei der Frage der Gleichberechtigung gab es einen großen Konsens darüber, dass in der Gesellschaft davon keine Rede sein könne. Allerdings sei die Religion vom Alltagsleben zu trennen, hob Ortac von den Eziden hervor. Auch wenn in ihrer Theologie Mann und Frau gleichberechtigt seien, so sehe die Realität vor allem in Ländern wie Irak oder Syrien anders aus. „Absolute Gleichberechtigung gibt es leider Gottes nirgendwo.“ Auch Heidenreich betonte, dass der Buddhismus nicht losgelöst von der Welt betrachtet werden kann. Deshalb gebe es in verschiedenen Kulturen große Unterschiede. So sei die Stellung der Mönche in einigen asiatischen Ländern höherwertig als die der Nonnen, „wenn es sie überhaupt gibt“. In Thailand kämpften Frauen immer noch dafür, als Nonnen anerkannt zu werden. Der Dalai Lama setze sich sehr für Gleichberechtigung ein.

Der Vertreter der Alevitischen Gemeinden in Hessen, Ali Ekber Erdem, berichtete, dass Männer und Frauen zusammen in Cemhäusern beteten. Dabei leiteten „Dedes“ gemeinsam mit „Anas“ den Gottesdienst. „Bei uns gibt es keine Unterschiede.“ Auch in den Schriften der Bahai heißt es, im Angesicht Gottes seien Frauen und Männer von jeher gleich „und werden es immer sein“, sagte Paula van den Boogaard. So wie ein Vogel zwei Flügel zum Fliegen brauche, sei in ihrem Glauben die Gleichberechtigung für die Menschheit essenziell.

Der Islam, sagte Öztürk von DITIB, schreibe der Frau einen hohen Stellenwert zu. „Traditionell haben sie immer eine sehr wichtige Rolle gespielt.“ So hätten Frauen zu Lebzeiten des Propheten sehr aktiv am öffentlichen Leben teilgenommen, hohe Ämter besetzt und Staaten geführt. Wenn einige Gruppierungen wie die Taliban die Verse im Koran anders interpretierten, sei das eine andere Sache. Öztürk fügte hinzu, dass es extremistische Gruppen nicht nur unter Muslim:innen, sondern auch unter anderem Religionsgemeinden gebe, etwa unter Christ:innen.

Im Christentum seien Männer und Frauen die längste Zeit nicht gleichberechtigt gewesen, gibt Maria Coors von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zu bedenken. Es gebe zwar Hinweise, dass die allerersten christlichen Gemeinden vor rund 2.000 Jahren noch anders gelebt hätten. Aber im Laufe der Zeit hätten sie sich immer mehr an die patriarchale Gesellschaft angepasst. In vielen Gemeinden hätten Frauen bis heute keinen Zugang zu geistlichen Ämtern, sagte Coors. Das gilt jedoch nicht für die evangelische Kirche. „Aber das war auch ein langer Weg dorthin.“

Die Gespräche finden regelmäßig an jedem ersten Dienstag im Monat statt. Der nächste Termin ist am 2. November. Jeder kann sich anmelden und Fragen einreichen.