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Das Versagen von Genf: UN-Gremium schweigt zu Uiguren

Menschenrechtsrat Genf UNO
Foto: Ludovic Courtès, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

(iz). Am Donnerstag, den 6. Oktober stimmte der UN-Menschenrechtsrat in Genf mit 19 zu 17 Stimmen gegen eine Diskussion des endlich veröffentlichten Berichts der UN-Menschenrechtskommission zur Lage der Uiguren und anderer Muslime in China. Das war überhaupt das zweite Mal in der Geschichte des Gremiums, dass eine solche Resolution abgelehnt wurde.

Beobachter sehen dahinter nicht nur einen schwindenden Einfluss des Westens. Der Entschluss verkörpere zudem die geringere Bedeutung des Themas Menschenrechte in den UN sowie einen wachsenden Einfluss Pekings auf das Weltgremium.

„Eine Katastrophe“

„Das ist eine Katastrophe. Das ist wirklich enttäuschend“, sagte Dolkun Isa, Präsident des Uigurischen Weltkongresses, dessen Mutter in einem Lager starb und dessen zwei Brüder vermisst werden. „Wir werden niemals aufgeben, aber wir sind wirklich enttäuscht von der Reaktion der muslimischen Länder“, fügte er hinzu.

Menschenrechtsaktivisten bezeichneten die Entscheidung als klaren Sieg Chinas und Niederlage für die Menschenrechte. „Mit 19 zu 17 Stimmen hat sich eine Koalition der Staaten durchgesetzt, die Menschenrechte ablehnt und unter dem Deckmantel der ‚staatlichen Souveränität‘ ungehindert Verbrechen an der eigenen Bevölkerung begeht“, kritisierte Hanno Schedler, GfbV-Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung, heute die Entscheidung. Immer mehr Staaten tolerierten „die Völkermord-Politik“ Pekings.

GfbV: Berlin müsse mehr Einsatz zeigen

Die GfbV forderte von der Bundesregierung, die den Antrag mittrug, sich nun verstärkt auf zwischenstaatlicher Ebene einzusetzen. „Bei seiner Reise nach China, die Bundeskanzler Scholz für die nächsten Monate plant, muss er Xi Jinping öffentlich auffordern, die Verfolgung der Uiguren zu beenden. Andere, gerade kleinere Staaten schauen genau hin, wie sich Europas größte Volkswirtschaft verhält“, so Schedler.

Muslimische Staaten stellen sich auf die Seite Pekings

Als skandalös empfanden gerade uigurische Vertreter insbesondere das Abstimmungsverhalten von Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Genf. Nein-Stimmen kamen von Indonesien, Kasachstan, Mauretanien, Pakistan, Katar, Senegal, Sudan, den Vereinten Arabischen Emiraten sowie Usbekistan. Als einziges muslimisches Land stimmte Somalia für die abgelehnte Resolution.

Seit Jahrzehnten gehört es zum Standard-Repertoire muslimischer Kritik an der westlichen Außenpolitik, dass diese „geheuchelt“ oder „doppelzüngig“ sei. Keine Frage, insbesondere das militärpolitische Vorgehen unter der Führung Washingtons im „globalen Antiterrorkrieg“ sowie die seit Jahrzehnten anhaltende Lage der Palästinenser hat dafür Anlass gegeben.

Wenn der Vorwurf von „Heuchelei“ nicht nur leere Rhetorik sein soll, muss er universal gelten. Dazu gehört, dass muslimische Staaten, ihre internationalen Gremien sowie nichtstaatliche Gruppen ebenso ihre Stimme nicht erheben, wenn das ihren Eigeninteressen nutzt. Beispiele dafür lassen sich in den letzten Jahrzehnten leicht finden. Dazu gehören anhaltend gute Beziehungen zu Ex-Jugoslawien bzw. Serbien während und nach dem Bosnienkrieg, Untätigkeit angesichts der Massaker in Darfur, langjähriger anti-schwarzer Rassismus im MENA-Raum, das russisch-iranische Vorgehen in Syrien oder der Stellvertreterkrieg im Jemen, bei dem beide Seiten für enormes Leid unter der Zivilbevölkerung verantwortlich sind.

Die Abstimmung belegt, dass das alte Paradigma eines in der muslimischen Welt übermächtig agierenden Westens längst nicht mehr stimmt. Heute sind die meisten OIC-Mitgliedsstaaten auf die eine oder andere Weise von China abhängig. Peking ist zu einem wichtigen Käufer ihrer Rohstoffe geworden. In anderen Ländern tritt es als aktiver Investor oder Lieferant aus. Und gerade in afrikanischen Ländern hängen viele Regierung am finanziellen und materiellen Tropf von starken Staaten wie China oder Russland. 

Genf ist nicht das einzige aktuelle Beispiel, dass muslimische Staaten (und muslimische Kritiker im Westen) zur Repression gegen muslimische Gemeinschaften und Minderheiten schweigen, wenn diese nicht in das übliche Ost-West-Feindmuster fallen. Schon Ende März dieses Jahres lud die OIC den chinesischen Außenminister zu ihrer Außenministerkonferenz nach Islamabad ein. Dort wurde routinemäßig die Lage von Muslimen in Israel und Palästina, Myanmar und Muslimfeindlichkeit im Westen angekreidet. Für den Schutz muslimischer Minderheiten (eine der OIC-Aufgaben laut Charta) wie denen in Xinjiang wurde nichts getan.