Um US-Wahlkampf bekommen beide KanditatInnen Unterstützung von Prominenten und einflussreichen Gestalten wie Musk. Welche Rolle spielt Desinformation?
Bonn/Washington (KNA/IZ). „Kamala Harris steht an der Seite Israels“ steht groß in einer Werbeanzeige, die zu einem Video weiterleitet, das die Aussage mit Zitaten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin bestätigen soll. „Heuchlerische Kamala Harris steht an der Seite Palästinas, nicht unseres Verbündeten Israels“ heißt es dagegen in einer weiteren Anzeige. Erstere wird vornehmlich bei arabischen und einigen muslimischen Bevölkerungsgruppen, letztere bei Juden in den USA geteilt. Von Niklas Hesselmann
Letztlich verantwortlich dafür ist Elon Musk. Der Tech-Milliardär verbreitet die Anzeigen auf seiner Online-Plattform X. Er, der den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump unterstützt, will so Stimmung gegen dessen Konkurrentin machen. Musk erhofft sich von einem Wahlsieg des Republikaners nicht zuletzt mehr Freiheit für seine wirtschaftlichen Aktivitäten. Bei einem Interview mit Trump bot er sich gar als Berater in der künftigen Regierung an.
Außerdem setzt er sich nach eigenen Angaben für mehr Meinungsfreiheit ein; seit der Übernahme vor zwei Jahren beobachten Kritiker indes eine Zunahme von „Fake News“ und irreführenden Inhalten.
Von Januar bis August etwa veröffentlichte Musk selbst mehr als 50 Postings zur US-Wahl, die laut der NGO „Center for Countering Digital Hate“ Falschinformationen enthielten. Erreicht habe er damit mehr als eine Milliarde Menschen. Die politische Einflussnahme durch Desinformation kommt demnach nicht nur aus dem Ausland, etwa durch Russland oder China, sie komme auch aus dem Inland.
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Eine aktuelle Recherche des „Wall Street Journals“ lässt derweil die Frage aufkommen, wie stark der russische Einfluss auf Musk ist. Demnach bestand von Ende 2022 bis mindestens Anfang dieses Jahres ein direkter Kontakt zwischen Musk und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. In der Zeit habe es Unterhaltungen zu geopolitischen, geschäftlichen und persönlichen Themen gegeben. Der Kreml dementierte, Musk äußerte sich bislang nicht dazu.
Für Aufsehen sorgte der Unternehmer zudem mit der von ihm gegründeten Lobbygruppe „America PAC“, die versprach, täglich eine Million Dollar unter registrierten Wählern in besonders umkämpften Swing States zu verlosen. Um teilzunehmen, sollte man eine von Musk initiierte Petition für freie Meinungsäußerung und gegen Zensur unterzeichnen. Experten zweifeln jedoch, ob die Aktion legal ist. Es droht juristischer Ärger.
Immer wieder wird auch über den Einfluss von Stars aus dem Showgeschäft auf den Wahlkampf diskutiert. Während Trump im Vergleich zu Harris deutlich mehr Follower in sozialen Medien verzeichnen kann, bekommt die demokratische Kandidatin prominente Unterstützung etwa von Taylor Swift. Als die Sängerin im September ihre Fans aufrief, sich für die Wahl zu registrieren, kamen dem innerhalb kurzer Zeit Hunderttausende nach.
Marketingforscher Raoul Kübler sieht aber einen wichtigen Unterschied: Während Swift nur eine einmalige Wahlempfehlung aussprach, unterstützt Musk kontinuierlich die Trump-Kampagne. „Daher würde ich die Rolle von Musk als deutlich dominanter und wahrscheinlich auch einflussreicher einschätzen als die einer Taylor Swift“, sagte Kübler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
In einer über acht Jahre angelegten Studie fand der Forscher der Pariser ESSEC Business School mit Kollegen aus Boston und Münster Gründe, weshalb die diesjährige Wahl ähnlich ausgehen könnte wie 2016. Damals gewann Trump gegen Hillary Clinton, obwohl diese in den Umfragen vorne gelegen hatte.
In der kürzlich veröffentlichten Analyse untersuchten die Wissenschaftler mehr als 200 Millionen Postings im Zusammenhang mit den US-Wahlkämpfen seit 2016. Demnach vervierfachte sich die Anzahl von „Fake News“ von 2016 bis 2020; ein weiterer Anstieg werde vermutet. Im aktuellen Wahlkampf spielten etwa verbreitete Falschbehauptungen über Migranten und Hurrikan-Opfer Trump in die Karten.
Die Bedeutung von Social Media im Wahlkampf nehme weiter zu, so die Forscher. Flossen 2020 noch rund 14 Prozent des Werbebudgets in digitale Kanäle, liegt der Anteil im aktuellen Wahlkampf mit 30 Prozent mehr als doppelt so hoch.
Neben den offiziellen Ausgaben kommen die der sogenannten PACs (Political Action Committees) hinzu. Mit den Investitionen dieser Lobbygruppen wird das gesamte Social-Media-Budget laut Kübler auf über 650 Millionen Euro geschätzt. Dennoch hält die Studie fest, dass der Einfluss über die klassischen Medien nach wie vor nicht zu vernachlässigen sei.
Welche Themen auf die Agenda kommen, entscheide sich allerdings oft in den sozialen Medien. „Wer es schafft, Themen in die Online-Debatte zu bringen, schafft es auch, dass diese irgendwann in der Medienwelt auftauchen“, so Kübler. „Und die Medienwelt sorgt dann dafür, dass diese Themen auch wahlentscheidend werden.“ Es seien vor allen Dingen Desinformationskampagnen und Provokation, die zu Diskussionen auf Social Media führten und darüber sowie über Mundpropaganda klassische Medien beeinflussten.
Die Studie stellt große Unterschiede zwischen den Kandidaten heraus: Im Wahlkampf 2016 beispielsweise schaffte es Trump mit Hilfe seines Kampagnen-Teams, soziale Medien zu nutzen, um seine Medienpräsenz deutlich zu steigern.
Auch im diesjährigen Wahlkampf sei Trump in den Nachrichtenmedien überrepräsentiert – und das, obwohl sein Gesamtbudget für den Wahlkampf laut Wahlkommission mit aktuell über 375 Millionen US-Dollar deutlich geringer ist als die über 900 Millionen US-Dollar auf demokratischer Seite. Einzig zu Beginn der Kandidatur von Harris habe der mediale Fokus auf ihr und ihrem Vize-Kandidaten Tim Walz gelegen. Dies habe sich inzwischen geändert.
Es sei nebensächlich, ob die Kampagne gegen den anderen geführt werde oder die eigene Person in den Mittelpunkt rücke. „Das Wichtige ist, dass man Debatte schafft“, so Kübler: „Inhalt wird immer unwichtiger.“ Trumps Vorsprung in den sozialen Medien basiere auch darauf, dass er mit polarisierenden Themen immer wieder Diskussionen auslöse. „Dementsprechend glaube ich, dass Trump mit einem gewissen Vorteil in die Wahlnacht geht.“