Fall Amri: Wird die Aufklärung bewusst verschleppt?

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Berlin (dpa). Opfer und Hinterbliebene des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin sind mit der bisherigen Aufklärungsarbeit des Bundestages nicht zufrieden. Dass der Untersuchungsausschuss die wichtigsten Zeugen nicht schon frühzeitig vernommen habe, sei nicht nachvollziehbar, schrieben die Angehörigen in einem offenen Brief, der am Dienstag an die Fraktionsvorsitzenden versandt wurde. Es entstehe mittlerweile der Eindruck, dass dadurch die Aufklärung besonders kritischer Sachverhalte bewusst verschleppt werden solle.
„Zusammenfassend sind wir über den bisherigen Verlauf des Untersuchungsausschusses frustriert“, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Hinterbliebenen wollten außerdem wissen, wann der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vernommen werde.
Der abgelehnte Asylbewerber Anis Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Lastwagen in Berlin über einen Weihnachtsmarkt gerast. Der tunesische Islamist tötete zwölf Menschen. Mehr als 70 wurden verletzt. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll mögliche Behördenfehler rund um den Anschlag aufklären. Die Frage, wie gefährlich Amri war und ob er womöglich abgeschoben werden könne, war vor dem Anschlag mehrfach im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern erörtert worden.
„Die Wahrheit mag für uns – wie auch für viele traumatisierte Nothelfer – schmerzhaft sein, aber wenn sie uns vorenthalten wird oder nur stückweise ans Tageslicht kommt, wird es unerträglich“, schrieben die Angehörigen. Für sie sei es auch wichtig zu wissen: „Wer übernimmt für das staatliche Versagen die Verantwortung?“
Der Untersuchungsausschuss hatte seine Arbeit im Frühjahr 2018 aufgenommen. Er geht chronologisch vor. Deshalb wurden im ersten Jahr vor allem Zeugen vernommen, die mit Amri in den ersten Monaten nach seiner Ankunft in Deutschland direkt oder indirekt Kontakt hatten.