
Während die vereinbarte Waffenruhe in Gaza derzeit anhält, eskalieren israelische Führung und Armee ihr Vorgehen in der Westbank.
(IZ/KNA). Am 19. Januar um 10.15 deutscher Zeit trat die Waffenruhe von Israel und der Hamas im Gazastreifen in Kraft. Sie ist Teil eines umfassenderen Abkommens, das unter Vermittlung von Katar, Ägypten und den USA zustande kam.
Es sieht eine 42-tägige Kampfpause vor, während der ein Austausch von Geiseln und Gefangenen stattfinden soll. Zudem ist eine Verbesserung der humanitären Situation in Gaza geplant, wo nach UN-Angaben 90 Prozent der Bevölkerung unter Hunger leiden.
Die israelische Armee soll sich außerdem aus Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurückziehen. Der Deal nach 15 Monate grausamer Kämpfe und noch gar nicht abzusehendem menschlichem Leid hätte schon lange vorher zustande kommen können.
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Gaza: Zehntausende Palästinenser getötet
Seit die israelischen Streitkräfte im Oktober 2023 nach dem Terroranschlag der Hamas ihre Bodenoffensive in Gaza starteten, wurden Berichten zufolge über 46.000 Palästinenser getötet, darunter 17.492 Kinder. Mehr als 1,9 der 2,2 Mio. Einwohner des Gazastreifens wurden vertrieben und ein Großteil der Infrastruktur und der Wohnhäuser wurde zerstört oder schwer beschädigt.
Für die deutsche Sektion der Hilfsorganisation CARE ist die Waffenruhe nur ein Zwischenschritt und „Anlass zur Hoffnung“, sei jedoch noch in der Schwebe. Was es jetzt brauche, sei ein verlässlicher, endgültiger Waffenstillstand.
„Das Wichtigste sind jetzt verlässliche Rahmenbedingungen, damit humanitäre Organisationen die notleidenden Menschen überall im Gazastreifen schnell erreichen und versorgen können. Die Hilfsmaßnahmen müssen überall massiv ausgeweitet werden“, sagte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von CARE Deutschland. „Wir gedenken heute auch der vielen humanitären Helfer:innen, die bei dem Versuch, Menschen zu unterstützen, ums Leben gekommen sind. Sie haben ihren Einsatz mit dem höchsten Preis bezahlt.“
Mehrphasige Vereinbarung
„Im Rahmen der Vereinbarung werden in der ersten, sechswöchigen Phase etwa 1.650 Palästinenser aus israelischer Gefangenschaft entlassen. In der Zwischenzeit werden 33 der etwa 95 Geiseln – einige lebend, andere tot – von der Hamas und anderen Gruppen wie dem Palästinensischen Islamischen Dschihad befreit. Die israelischen Streitkräfte werden sich aus den Bevölkerungszentren zurückziehen, und die Palästinenser dürfen in ihre Häuser im nördlichen Gazastreifen zurückkehren. Außerdem wird es eine Welle humanitärer Hilfe geben, mit etwa 600 Lastwagen, die täglich einfahren“, erklärte der irische Nahost-Experte Scott Lucas.
Für die zweite Phase sagte die Hamas zu, die verbliebenden lebenden Gefangenen – viele männliche Soldaten – freizulassen. Im Gegenzug sollen weitere Palästinenser von Israel freigelassen und sämtliche israelischen Kräfte aus Gaza abgezogen werden. „In der dritten Phase würden die Leichen der verbliebenen Geiseln im Austausch für einen drei- bis fünfjährigen Wiederaufbauplan in Gaza unter internationaler Aufsicht zurückgegeben werden“, so Lucas.
Baerbock am 1. März 2023 auf der UN-Vollversammlung. (Foto: Lev Radin, Shutterstock)
Weltweite Erleichterung
Weltweit wurde zumeist erleichtert auf die lange überfällige Vereinbarung reagiert. Joe Biden und sein Nachfolger Donald Trump bestätigten das Ergebnis. Die deutsche Außenministerin Baerbock sprach von einem „Tag der Erleichterung“. Die Angehörigen der israelischen Geiseln reagierten erleichtert. „Seit November 2023 haben wir diesen Moment sehnsüchtig erwartet“, hieß es in einer Stellungnahme des Forums der Geisel- und Vermisstenfamilien.
Während Menschen und Beteiligte in aller Welt auf einen Bestand der Waffenruhe hoffen, eskalierte die politische und militärische Führung in Tel Aviv ihr Vorgehen in der Westbank. Kurz nach Beginn der Feuerpause startete die Armee eine groß angelegte Militäroperation in Jenin, das als „Hochburg militanter Palästinenser“ gilt. Dabei wurden mindestens zehn Menschen getötet und 40 verletzt.
Die Operation „Iron Wall“ zielte laut israelischen Angaben auf „die Bekämpfung des Terrorismus“ ab, wurde von palästinensischen Vertretern hingegen als „Annexion“ befürchtet. Nach ihrem Bekanntwerden warnte UN-Generalsekretär Guterres vor Annexionsplänen im Westjordanland. (ak, sw, KNA)