
Am ersten Tag des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der Hamas haben Menschen auf beiden Seiten die Freilassung von Landsleuten gefeiert.
(KNA/iz). Um kurz nach 17 Uhr kam die erlösende Nachricht: Romi Gonen, Doron Steinbrecher und Emily Damari sind in Obhut des Internationalen Roten Kreuzes und auf dem Weg aus dem Gazastreifen zurück nach Israel. Tausende Menschen auf dem als „Geiselplatz“ bekannt gewordenen Platz im Herzen von Tel Aviv ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Fotos der Menge zeigten Jubel, Umarmungen und Tränen. Von Andrea Krogmann & Katrin Gänsler
Die drei israelischen Frauen, die im Rahmen des am Sonntag in Kraft getretenen Waffenstillstandsabkommens als erste freigekommen waren, sind am Leben und nach ersten Angaben guter Gesundheit.
Weltweit war die Freilassung begrüßt worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf der Plattform X: „Heute ist ein Tag der Freude: Endlich sind weitere Geiseln der Hamas freigekommen und wieder mit ihren Familien vereint.“ Er forderte: „Diesem ersten Schritt müssen weitere folgen. Alle Geiseln müssen freikommen und es muss rasch mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen.“
Ramallah: Auch hier freuen sich die Menschen
Auch in Ramallahs Ortsteil Beitunia, rund 60 Kilometer südöstlich von Tel Aviv, hatten sich seit dem frühen Nachmittag Menschen versammelt, um die im Austausch freigelassenen 90 palästinensischen Gefangenen in Empfang zu nehmen. Von einer Anhöhe blickt man auf das israelische Gefängnis Ofer, Ort der Übergabe der Gefangenen an das Rote Kreuz. Die sollte jedoch nach der Freilassung der israelischen Geiseln noch knapp acht Stunden auf sich warten lassen.
Viele der Wartenden zündeten Lagerfeuer an, um die feuchte Kälte der Nacht zu mildern. „Wir warten darauf, unsere Gefangenen begrüßen zu können“, sagt der Deutsch-Palästinenser Yasir Abd-il-Hafaz. „Nach dem Genozid in Gaza verspricht der heutige Tag Hoffnung“, benutzt er den umstrittenen Begriff vom Völkermord. Der Waffenstillstand, so hoffe er, sei „der Anfang einer neuen Ära“.
Auch Ahmed, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, war mehr als vier Jahre in Haft. Den Abend verbringt er mit hunderten anderen Palästinensern auf dem Fawakeh-Platz in Ramallah, um die Freilassung seiner Landsleute zu feiern, und in der Hoffnung, dass auch sein Sohn – Gefangener in einem israelischen Gefängnis – im Rahmen des Deals freikommt.
Er freue sich auch für die israelischen Geiseln, die nach Hause kommen, sagt Ahmed. Die Einigung hätte schon „vor einem Jahr oder länger“ geschehen sollen. Nicht alle Mitfeiernden an diesem Abend dürften seiner Meinung sein. Neben palästinensischen und Fatah-Fahnen prägen grüne Hamas-Fahnen und hier und da jene der Hisbollah das Bild.
Foto: Anas-Mohammed, Shutterstock
Abkommen trat mit Verspätung in Kraft
Papst Franziskus begrüßte den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas während des Mittagsgebets am Sonntag im Vatikan. „Diese Vermittlung ist eine gute Arbeit, die dazu beiträgt, Frieden zu schaffen.“ Neben der Freilassung aller israelischer Geiseln hoffte er, dass die humanitäre Hilfe „schneller und in großer Menge“ bei der Bevölkerung im Gazastreifen ankomme.
Das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas war mit mehrstündiger Verzögerung am Sonntagvormittag in Kraft getreten. Für die geplante Freilassung von Geiseln in den nächsten Wochen sollen laut Abkommen palästinensische Verhaftete aus der Haft entlassen werden: 30 Gefangene für eine zivile Geisel und 50 für eine Soldatin.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte: „Die Tortur für die Dutzenden weiteren, die in Gaza verbleiben, wird weitergehen.“ Alle müssten umgehend und in Würde freigelassen werden. Ebenso wies sie darauf hin, dass die Geiseln mit komplexen psychischen und physischen Gesundheitsproblemen konfrontiert seien und ihre Genesung Jahre dauern könne. Die Familien der Geiseln benötigten ebenfalls eine einfühlsame psychische Betreuung.
Zu Gaza schrieb sie: Die WHO und ihre Partner verstärkten ihre Einsätze, um wichtige medizinische Vorräte und Ressourcen zu liefern, dringende Gesundheitsbedürfnisse zu decken und zu den Wiederaufbaubemühungen beizutragen. Dazu gehöre der Wiederaufbau des zerstörten Gesundheitssystems.