
Die Kampagne #GreenIftar von NourEnergy will Muslim dazu ermuntern, den Fastenmonat nachhaltig und bewusst zu erleben. Dazu gehören auch substanzielle Änderungen im Ressourcenverbrauch.
Ramadan ist gerade auch Monat des Verzichts auf unnötige Dinge dieser Welt. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir mit wertvollen Ressourcen und der Umwelt umgehen. Hierzu sprachen wir mit Soumia Achargui über das GreenIftar von NourEnergy.
Islamische Zeitung: Liebe Soumia Achargui, der Verein NourEnergy organisiert seit zwei oder drei Jahren im Ramadan das Projekt GreenIftar. Um was handelt es sich dabei?
Foto: GreenIftar, NourEnergy
Für mehr Nachhaltigkeit beim Fasten
Soumia Achargui: Genau, nun zum dritten Jahr läuft die Kampagne unter dem Namen GreenIftar. Diese Kampagne fing allerdings schon früher an, im Jahre 2017 damals unter dem Namen #RamadanPlastikfasten. Dabei ging es darum, während des Ramadans darauf aufmerksam zu machen, möglichst kein Einweg-Plastikgeschirr bei Iftaren zu nutzen
Die Kampagne ist immer weitergewachsen und im Zeichen der Zeit haben wir die Ziele der Kampagne noch um weitere wichtige Aspekte ausgebaut, die ein nachhaltiges Fastenbrechen ausmachen. Seither regen wir mit der Kampagne Muslime weltweit dazu an, nachhaltige und umweltfreundliche Iftare umzusetzen.
Es geht darum, mit unseren Fastenbrechen möglichst keinen Schaden für Mensch, Tier und Natur zu hinterlassen: das heißt z.B. Mehrweggeschirr zu nutzen, möglichst maßvoll zu kochen und Wasser nicht zu verschwenden. Und mit diesen Entscheidungen tun wir Gutes und stiften Frieden, zwischen den Menschen, mit der Umwelt und mit unserem Schöpfer.
Islamische Zeitung: Was waren Ihre Ergebnisse in den letzten Jahren? NourEnergy hatte 2022 auch von einem großen Erfolg gesprochen.
Soumia Achargui: Letztes Jahr haben 74 GreenIftare in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und in Österreich stattgefunden. Das war das erste Jahr, nachdem die öffentlichen Fastenbrechen coronabedingt ausfallen mussten.
Und in der Tat, die Kampagne und das Thema Nachhaltigkeit finden immer mehr Anklang in Moscheegemeinden, bei Hochschulgruppen und generell in der muslimischen Community.
Viele der jungen Generation sind in den Moscheegemeinden und Hochschulgruppen aktiv und gut für das Thema zu gewinnen.
Was mehr ins Bewusstsein rückt, ist, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz eigentlich sehr tief im islamischen Glauben und der Tradition des Propheten verankert sind. Das empowert die Menschen auch gleichzeitig.
Diese Verantwortung und Leidenschaft schweißt viele aktive Muslime als Community zusammen. Zudem machen wir die Organisatoren sichtbar und kommunizieren die Erfolge und Ergebnisse über Social Media und auf unserer Webseite.
Foto: Sumaya Hisham
Was sich alleine im Ramadan sparen ließe…
Islamische Zeitung: Im letzten Jahr sprach NourEnergy von erheblichen Mengen Wegwerfgeschirr, die eingespart werden konnten. Gibt es da Angaben zu den Mengen?
Soumia Achargui: Insgesamt haben wir in den vergangenen Jahren knapp 250 GreenIftare zu verzeichnen. Dabei kommen wir auf über 127.000 Plastikteile, die der Umwelt erspart wurden. Doch GreenIftar ist mehr als nur das Einsparen von Plastikteilen.
Die Vermeidung von Einweg-Plastik bedeutet auch enorme Energieeinsparungen und damit CO2-Reduktion. Dies gilt auch für die Wahl von saisonalen und regionalen Produkten sowie sparsame Wassernutzung.
Islamische Zeitung: Wenn Muslime das in diesem und künftigen Jahren tun würden, käme es doch zu enormen Einsparungen…
Soumia Achargui: Absolut. Das ist ein Schneeballeffekt; gerade, wenn man auf die Gemeinden schaut, die teilweise jeden Tag Fastenbrechen anbieten.
Und es geht hier weit über die genannten Zahlen hinaus. Es geht nämlich um eine nachhaltige Veränderung, die ein GreenIftar unter Umständen bei Gemeinden initiieren kann. Ein nachhaltiger Ramadan soll dabei nur den Anfang markieren.
Islamische Zeitung: Gibt es neben der Einsparung von Einwegverpackungen und Müllvermeidung weitere Bereiche, mit denen sich zeigen lässt, wie Gemeinschaften sparen können?
Soumia Achargui: Ja, auf jeden Fall. In vielen Gemeinden besteht ein hohes Einsparpotenzial. Unter anderem kann nach einer energetischen Sanierung die Energieeffizienz gesteigert und somit Kosten gespart werden.
Für solche Energiesparmaßnahmen können Förderungen beantragt werden und mit professionellem Rat durch einen Energieberater können auch weitere technische Maßnahmen ergriffen werden. Mit Investitionen, wie in Tageslichtsensoren, Wärmepumpen oder in Dämmung von Fassaden und Fenster, lassen sich auch langfristig hohe Einsparungen realisieren.
Auch gibt es die Möglichkeit zur Eigenstromproduktion durch Solaranlagen, mit denen Gemeinden zukünftig ihren Strom günstig und unabhängig erzeugen und sogar die umliegenden Haushalte mit Strom versorgen können. Damit können Gemeinden in Städten und Kommunen mit gutem Beispiel vorangehen und eine Vorbildfunktion einnehmen.
Mehr Verbrauch im Monat des Verzichts – wie geht das zusammen?
Islamische Zeitung: Auch bei uns Muslimen gibt widersprüchliche Tendenzen. Einerseits wissen wir, dass Verzicht und der verringerte Umgang mit den Dingen der Welt zu einem nachhaltigeren Leben führen. Einerseits gibt es auch die Neigung, gerade im Ramadan mehr Lebensmittel zu kaufen und jedes Fastenbrechen zu einem Festessen zu machen. Wie passt das zusammen?
Soumia Achargui: Das ist eine gute und wichtige Frage. Paradoxerweise steigt der Lebensmitteleinkauf zum Ramadan, damit leider auch die Verschwendung.
Der Monat wird von vielen Menschen auch mit großzügigem Zusammenkommen assoziiert. Viele wollen dabei für ihre Gäste nur das Beste.
Und hier ist eigentlich schon der Haken: Was als gastfreundliche Geste gemeint ist und auch so vernommen wird, könnte man nämlich auch kritisch hinterfragen: Tut man mit dem Übermaß an zumeist noch ungesunden Gerichten, die Körper und Natur schaden, seiner Familie oder seinen Gästen etwas Gutes?
Wir können auch zu der Perspektive gelangen, dass Verzicht in einer Konsumgesellschaft mittlerweile der eigentliche Luxus ist. Man kann diese Begegnungen auch bewusst nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass genügsames Kochen mit hochwertigen Lebensmitteln eher dem Sinn von Ramadan entspricht.
Denn dieser Monat ist ja vordergründig eine Zeit der spirituellen Einkehr, der Selbstreflexion und des Qur‘an. Im Qur’an werden die Schönheiten der Natur beschrieben und der Mensch wird dazu angehalten, sich mit dieser Schöpfung als Teil der göttlichen Offenbarung auseinanderzusetzen und diese zu bewahren.
Damit ist Ramadan die gute Chance für einen nachhaltigen Paradigmenwechsel bei jedem Einzelnen.
Islamische Zeitung: Reicht es, muslimischen Haushalten hier zu sagen, sie müssten auf Nachhaltigkeit setzen, ohne sie bei der Hand zu nehmen und entsprechende Angebote zu machen?
Soumia Achargui: Nein, das reicht natürlich nicht. Da bleiben wesentliche Hemmnisse noch bestehen. Daher sind Sensibilisierung, Wissensvermittlung sowie praktische und realistische Handlungsempfehlungen notwendig und erst dann zielführend.
Diese geben wir sowohl Privatpersonen als auch Gemeinden und Vereinen mit, unter anderem durch Vorträge und Workshops.
Wichtig dabei ist es, die Muslime über ihre Werte abzuholen und zu sensibilisieren. Daraus lässt sich eine intrinsische Handlungsmotivation schöpfen. Das ist ein zentraler Aspekt einer zielgruppenspezifischen Kommunikation. Wir bleiben dabei möglichst nah an der muslimischen Realität in Deutschland und können so eher die Menschen erreichen und zum Handeln aktivieren.
Im Rahmen der Kampagne haben wir auch einen „GreenIftarGuide“ veröffentlicht, der eine gute Orientierung, sowohl für den Privathaushalt als auch für Veranstalter öffentlicher GreenIftare bietet.
Dieser gibt Antworten und konkrete Maßnahmen auf Fragen wie: Worauf ist zu achten bei regionalen Lebensmitteln? Wie kann ich im Alltag Wasser sparen? Wo kann man unnötige Verpackungen einsparen und was mache ich mit überschüssigem Essen?
Hilfreich kann es auch sein zu reflektieren, ob wir denn wirklich immer all das brauchen, was wir in unseren Einkaufswagen legen. Setzen wir lieber bewusst auf wenige Lebensmittel, die dafür für unseren Körper gut sind und den Boden nicht schaden, so stellt man fest, dass man vielleicht doch nicht mehr so tief in die Tasche greifen muss.
Damit werden die Haushalte dazu angehalten, innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises klein anzufangen. Wir erwarten keine drastischen Veränderungen von heute auf morgen und zeigen stattdessen, dass jeder etwas beitragen kann.
Foto: GreenIftar, NourEnergy
Die Community als Ganzes ist gefragt
Islamische Zeitung: Es gibt in der muslimischen Community viele Lebensmittelhändler und Importeure. Ist bei denen die Frage nach nachhaltigem Wirtschaften und Umgang mit Verpackungen schon angekommen?
Soumia Achargui: Tatsächlich beobachte ich, dass es durchaus noch Nachholbedarf gibt. Viele kennen es bestimmt, wenn sie in diesen Supermärkten schon einmal eingekauft haben: Es gibt überall kostenfreie Plastiktüten. Aber eine Auswahl an Lebensmitteln aus ökologischem Anbau oder auch artgerechter Haltung findet sich selten bis gar nicht. Hinzu kommt, dass das Ausgeben von diesen Einwegtüten aus Plastik eigentlich nicht mehr gestattet ist.
Bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten und durch die Inflation ist es verständlich, dass viele Familien eher auf konventionelle Lebensmittel zurückgreifen, die oft günstiger sind. Diese Preise sind aber zumeist auf ungerechte, oft ausbeuterische Arbeitsbedingungen bei den Anbaugebieten zurückzuführen. Auch werden die hohen Erträge durch den Einsatz giftiger Pestizide erreicht.
Gerade einkommensschwächere Familien stehen vor erheblichen finanziellen Herausforderungen und sind gleichzeitig die, die von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen sind.
Dabei können muslimische Lebensmittelhändler ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und haben die Chance, an wichtigen Stellhebeln unserer Zeit anzusetzen. Sie selbst können ein nachhaltigeres Wirtschaften unterstützen und etablieren. Im weiteren Sinne können sie damit eine nachhaltige Entwicklung aktiv mitgestalten.
Mit der richtigen Intention kann dies auch als eine Anstrengung für das Gute gesehen werden, die uns in diesem und nächsten Leben zuvorkommen kann.
Islamische Zeitung: Liebe Soumia Achargui, vielen lieben Dank für das spannende Gespräch und wir wünschen einen gesegneten Ramadan!