Horrorstrecke durch den Hindukusch. Ein Berich von Hares Kakar und Subel Bhandari

Schlaglöcher groß wie ein Bulle, vereiste Bergpässe, Taliban und andere Banditen: Die Route über den Salang-Pass in Afghanistan gilt als lebensgefährlich. Und die Nato-Transporte machen alles nur noch schlimmer, jammern die afghanischen Brummi-Fahrer.

Salang (dpa). Drei Tage brauchte Hadschi Hadschat Mir vor zwanzig Jahren – am Beginn seiner Karriere als Lastwagenfahrer – von Hairatan im Norden Afghanistans nach Kandahar im Süden. Heute benötigt er für die 1300 Kilometer lange Strecke mindestens 20 Tage. „Onkel Mir“ transportiert Nachschub für die internationalen Truppen in Afghanistan. Die Straßen im Land waren noch nie schlechter, sagt er. „Jeden Tag weiche ich Schlaglöchern aus, groß genug, dass ein Bulle reinfällt.“ Er fährt über vereiste Bergstraßen des „Salang Highway“ und muss ständig korrupten Polizisten Schmiergeld bezahlen. Manchmal schießen Banditen auf ihn.

Um den Salang-Pass auf den kurvenreichen Bergstraßen zu überqueren, brauchte er früher vier bis fünf Stunden, erzählt der 41-Jährige. Jetzt – drei Tage. Der Pass im Hindukusch in mehr als 3.800 Metern Seehöhe ist die wichtigste Verbindung von Norden nach Süden. In den 1960er Jahren untertunnelten russische Ingenieure einen Teil des Passes. Die Fahrt durch die rund 2,5 Kilometer lange, dunkle Röhre dauert normalerweise 15 Minuten, aber es wurden auch schon mal sechs Stunden, erzählt Mir.

Der enge, großteils nicht asphaltierte Tunnel ist kaum beleuchtet, das unzureichende Ventilationssystem streckenweise auch noch kaputt, Wasser dringt ein, immer wieder bleiben zu hoch beladene Lastwägen stecken – ein Horrortrip. „Ich fühle mich furchtbar, wenn ich im Tunnel feststecke“, sagt Onkel Mir. „Alle lassen die Motoren laufen, aber es gibt nicht genug Sauerstoff. Manchmal glaube ich, jemand stirbt gleich von den Abgasen.“

Auf der anderen Seite des Tunnels sitzen Lastwagenfahrer Mohammed Baschir und Hunderte seiner Kollegen seit Tagen fest. Er wünscht sich, dass „die Sowjetunion, mein Lieblingsland“ zurückkehre und den Tunnel repariert. Im Winter machen Eis und Lawinen die Fahrt noch gefährlicher. Im Februar 2010 starben 160 Menschen, als Lawinen Dutzende Fahrzeuge unter sich begruben. „Jeder, der diese Route nimmt, ist dem Tod immer sehr nahe“, sagt der für die Sicherheit und Instandhaltung der Strecke verantwortliche General Mohammed Radschab. Reparaturen seien dringend notwendig: „Das Ventilationssystem im Tunnel ist für 2.000 Fahrzeuge in 24 Stunden ausgelegt, benutzt wird er von bis zu 16 000 Fahrzeuge am Tag.“

Als im vergangenen Jahr Pakistan seine Grenze für Nato-Konvois sperrte, wurde der Nachschub vermehrt über den nördlichen Nachbarn Usbekistan nach Afghanistan transportiert. Diese Strecke führt über den Salang-Pass. Dadurch wurde alles noch viel schlimmer, sagen Fahrer und Behörden, denn die schwer beladenen Nato-Trucks machen etwa 90 Prozent des Verkehrs aus und beschädigen die Straßen. Katastrophale Straßenzustände sind aber nicht das einzige Problem für die Brummi-Fahrer. Sicherheitsbeamte und Behörden machen ihnen das Leben schwer, erzählt Sajed Kattali. Die Firma seiner Familie bewacht Treibstoffkonvois der Nato. „Sie stoppen uns immer wieder und durchsuchen die Fahrzeuge. Sie wollen Schmiergeld“, sagt er. Das verzögere den Transport und bringe Ärger mit seinen Auftraggebern.

Unzählige Male müsse er an irgendwelchen Kontrollpunkten der Zentral- oder Provinzregierungen Abgaben bezahlen, erzählt auch Onkel Mir. „Es ist sehr schwierig, diese Strecke zu fahren“, meint er. „24 Stunden am Tag Räuber, Bewaffnete, Taliban. Alle wollen uns nur ausrauben“, sagt er und zeigt auf ein Einschussloch in seiner Windschutzscheibe. Vor einigen Monaten wurde er von Straßenräubern erwischt. Die Räuber seien immer besser bewaffnet, sie verwenden Sprengfallen und die Überfälle seien gut ausgeklügelt, sagt Kattali. Mindestens 65 seiner Männer wurden bei Angriffen von 2008 bis 2011 getötet. Oft tragen die Banditen auch Uniformen der afghanischen Sicherheitskräfte. „Sie haben immer bessere Ausrüstung. Sie kämpfen bis sie alle tot sind, oder sie töten jeden und rauben alles.“