Im europäischen Russland gibt es viele Orte, die für Muslime von Bedeutung sind

Ausgabe 225

(RBTH). Nach dem orthodoxen Chris­tentum ist der Islam die zweite große traditionelle Religion Russlands. Während die online-Enzyklopädie Wikipedia die Anzahl der Muslime mit etwas mehr als 14 Millionen angibt, geht der Vorsitzende des Russischen Muftirates, Ravil Gaynutdin, von 23 Millionen aus, Tendenz steigend. Damit sind die Gläubigen beim großen Nachbarn im Osten zahlenmäßig die bedeutendste muslimische Bevölkerungsgruppe in Europa. In den langen Jahrhunderten seit Ankunft des Islamentstanden auch viele Denkmäler wie Moscheen, Mausoleen usw.

Die größte Konzentration der spirituell wichtigen Orte für Russlands Muslime findet sich neben dem Kaukasus in Baschkirien und Tatarstan, zwei angrenzenden Republiken im südlichen Ural und dem Wolgabecken. Diese Gegenden enthalten gut erhaltene Relikte beispielsweise der mittelalterlichen Goldenen Horde, die den Islam unter den Einheimischen verbreitete (obwohl er im heutigen Tatarstan bedeutend älter ist). Die überwiegend muslimischen Kaukasusrepubliken sind ebenso wichtige Ziele für muslimische Reisende.

Borga Kasch, älteste ­Anlage in Inguschetien
Historiker streiten immer noch darüber, wie und warum diese Grabanlage gebaut wurde. Einige bestehen darauf, dass es sich hier um die letzte Ruhestätte eines arabischen Schaikhs handelt. Die Legende besagt, dass der Schaikh beim Nahen seines Todes auf einem Kamel in die Steppe ritt. Er ließ dem Tier freie Zügel und entschied sich dann für den Bau seiner Grabanlage an jenem Ort, an dem das Kamel aus freien Stücken halt machte. Moderne Forscher meinen, dass es sich um einen lokalen Gouverneur handelte. Die 600 Jahre alte Grabanlage ist ein wichtiger Ort für das Erbe Inguschetiens. Über dem Eingang finden sich arabische Inschriften, die bis heute erhalten blieben. Nach einigen historischen Augenzeugenberichten lagen nebenan eine gemeinschaftliche Begräbnisstätte, bei der sich mehrere Holzsärge unter einer Steinplatte befinden sollen.

Festung in den Wolken
Die antike Festung von Kala Quraisch befindet sich tausend Meter über dem Meeresspiegel. Sie war die erste befestigte Station auf dem Weg zur Ausbreitung des Islam im Kaukasus. Es wird angenommen, dass sie im siebten Jahrhundert von Angehörigen des arabischen Stammes der Quraisch errichtet wurde. Kala Quraisch wird manchmal auch als das Machu Picchu Daghestans bezeichnet. Die Siedlung sieht aus wie ein Steinlabyrinth am Hang eines großen Berges. Hier findet sich auch die älteste Moschee Russlands, die im 9. Jahrhundert errichtet wurde. Zu sehen sind ebenfalls alte Be­gräbnisanlagen und es gibt ein Museum.

Kunta Hadschi
In Tschetschenien gibt es 59 Begräbnisstätten. Die bekannteste von ihnen liegt im Dorf Haji Evla. Im 19. Jahrhundert war die Ortschaft die Heimat des Sufi-Schaikhs Kunta Hadschi Kischijew, einem spirituellen Lehrer, der den Dhikr („Erinnerung an Allah“) lehrte. Hier findet sich auch eine Quelle nahe seines Wohnhauses, der die Menschen eine be­sondere heilsame Wirkung zuschreiben. Reisende können auch die Krypta besuchen, in der Kischijews Mutter bestattet wurde. Der Ort liegt in der Nähe des Berges Ertina.

Baschkirien
Es gibt zwei, gut erhaltene Mausoleen, die bis ins 12. und 14. Jahrhundert zu­rück­reichen und ca. 40 Kilometer entfernt von Ufa liegen, der baschkirischen Hauptstadt. Eines ist der muslimische Friedhof Akzirat („weißer Friedhof“ in der Landessprache). Die Legende besagt, dass er im 14. Jahrhundert für Hadschi Hussein Bek gebaut wurde, den ersten Imam auf dem Gebiet der heutigen Föderationsrepublik Baschkirien (auch Baschkortostan). Der Befehl zum Bau kam von niemand anderem als Tamerlan (Amir Timur), dem berühmten zentralasiatischen Eroberer und Gründer des großen timuridischen Reiches, dessen Hauptstadt Samarkand war. Nicht weit vom Mau­soleum entfernt stehen mehrere Grabsteine mit arabischen Inschriften. Man nimmt an, dass sie die Gräber von Timurs Befehlshabern markieren. Das Hussein Bek-Mausoleum gilt als einer der wichtigsten muslimischen Orte Russ­lands. Bloß zehn Kilometer entfernt gibt es eine weitere historische Anlage: das Grab von Turu Khan. Nach Ansicht einiger Historiker war er ein Nachkomme des großen Dschingis Khan, dem Be­grün­der und großen Herrscher des Mongolenreiches. Forscher glauben, dass Turu Khan wie Hussein Bek ein aufgeklärter muslimischer Herrscher war.

Groß-Bulgar
Am Ufer des Flusses Wolga, rund 140 Kilometer entfernt von der tatarischen Hauptstadt Kazan, finden sich heute die Ruinen der legendären Stadt Groß-Bulgar. Sie war eine der großen Städte des mittelalterlichen Reiches der Goldenen Horde. Heute ist sie ein Reiseziel vieler Muslime in Russland. Neben den alten Ruinen ist alles, was von Groß-Bulgar blieb, das Dorf Bolgary und die Mauer einer großen Moschee mit einem Minarett, die aus dem 13. Jahrhundert stammen. Gegenüber der Straße zum Eingang der Moschee gibt es ein gut erhaltenes nördliches Mausoleum (das von der bulgarischen Elite benutzt wurde). Im Osten der Moschee liegt die östliche Grabstätte, die im 18. Jahrhundert in eine orthodoxe Kirche verwandelt wurde.