Auf der Suche nach Raum für Frauen in Moscheen

Ausgabe 225

(Altmuslimah). Zwei Frauen betreten eine Moschee (nein, das ist nicht der Anfang eines schlechten Witzes). Beide schließen sich dem Gebet an und erfreuen sich an der melodiösen Rezitation des Imams über die Lautsprecher. Das ist die einzige Kommunikation, die sie zum abgetrennten Gebetsbereich haben, in dem der Imam steht, der das Gebet leitet. Sie knien nieder und berühren mit ihrer Stirn den Boden. Einige Zeit vergeht und eine Schwester wundert sich, warum die Niederwerfung, in der Regel nicht länger als 10 bis 30 Sekunden, nun schon in der zweiten Minute anhält. Sie nutzt die extra Zeit, um einige, dringend benötigte Bittgebete einzufügen, aber zwei Minuten?

Von Safiya Ravat

Schließlich ruft der Imam „Allah ist größer“; das Zeichen für die Gemeinschaft, sich zu erheben. Die Frau hebt ihren Kopf und stellt zu ihrem Erstaunen fest, dass ihre Freundin zur Rechten im Gebet steht, während die Frau auf der Linken immer noch sitzt! Es bricht Konfusion aus, als die Frauen auf allen Seiten beginnen, eilige Bewegung zu machen, um den Imam in der Position zu erwischen, in welcher er sich gerade befindet.

Nach quälenden zwei Minuten der Ruhe, die nur vom Lautsprecherrauschen unterbrochen wird, signalisiert der Satz „möge Allahs Friede auf euch sein“ das Ende des Gebetes. Jede Frau erhebt sich und beendet den Rest eines – wieder einmal planlosen – Versuches, in der Moschee zu beten, während jede Frau an der Gültigkeit ihres jeweiligen Gebetes zweifelt.

Hinter der blickdichten und undurchdringlichen Barriere, welche die gläubigen Männer von den gläubigen Frauen trennt, bemerkt niemand das gar nicht so seltene „technische Problem“. Es gibt sowieso niemanden, bei dem man sich beschweren könnte. Weder Imam, noch Moscheevorstand können die Frauen hinter der abweisenden Wand sehen. So sieht es heute in den meisten Moscheen der USA und in aller Welt aus. Traurigerweise ist das sogar ein Fortschritt im Vergleich zu jenen Ländern, in denen Frauen überhaupt keinen Platz in den Moscheen finden.

Hindernisse gibt es in allen Formen und Größen. Sie reichen von gänzlich ge­trennten Räumen bis zu Vorhängen oder filigranen Wandschirmen. Egal, wie sie aussehen, sie haben ein Ziel: Männer und Frauen außer Sicht zu halten. Sicherlich ist es das, was unser geliebter Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, wollte, stimmt’s? Eigentlich nicht… nein.

Dabei mag es sich um ein weit verbreitetes Verhalten handeln, aber sie steht nicht im Einklang zum prophetischen Vorbild. Wäre man vor rund 1.400 Jahren in die Prophetenmoschee von Medina gekommen, hätte man dort keine physische Barriere zwischen Männern und Frauen gesehen. Es finden sich viele Hadithe über diese offene Anordnung. So wartete der Prophet eine Weile nach dem Gebet, um den Frauen die Zeit zu geben, die Moschee zuerst zu verlassen, ohne dabei ein Gedränge zu verursachen, bei dem Männer und Frauen durcheinander geraten wären. Das ist ein Hinweis darauf, dass beide Geschlechter die Moschee betraten, in ihr beteten und den gleichen Raum wieder verließen.

Schließlich kennt beinahe jeder Muslim die Geschichte der Frau, die das Wort ergriff und den Prophetengefährten und zweiten Khalifen des Islam, ‘Umar ibn Al-Khattab, korrigierte, als dieser in der Moschee über die Regeln des Erbrechtes sprach. Hatte sie ein Mikrofon, mit dem sie ihre Frage stellen konnte? Natürlich nicht. Sie sprach dort, wo sie in der Moschee saß – hinter den versammelten Männern; und nahe genug, dass sie das gesagte hören konnte.

Ich weiß, was Sie jetzt denken. Diese Männer und Frauen waren Gefährten des Propheten, die einen Standard an Glauben und Verhalten verkörperten, den wir im Traum nicht erreichen könnten. Stimmt. Sie zählten zu den besten Männern und Frauen. Das heißt aber nicht, dass sie frei gewesen wären von Versuchungen. Sie waren Menschen mit unterschiedlichsten Charakteren; wie die heutigen Muslime. Und doch griff der Gesandte Allahs, Segen und Heil auf ihm, nicht auf den Bau einer Mauer zurück, um angemessenes Verhalten zu erzwingen. Wenn wir glauben, dass in jedem Aspekt seines Vorbildes Wahrheit geborgen ist, warum weichen wir in dieser Situation dann davon ab?

Einige dürften argumentieren, dass heute eine Barriere notwendig sei, weil unsere Männer ihren Blick nicht senken oder unsere Frauen sich nicht angemessen kleiden könnten. Meine Gegenfrage lautet: Wie können wir in einer getrennten Moschee unsere Überschreitungen im Zaum halten und unsere Moral stärken? Muss nicht ein Imam den wandernden Blick eines Mannes oder die Kleidung einer Frau sehen können, um beides zu korrigieren?

Einige Männer meinen, dass die Frauenräume separat sein sollten, weil ihr Abschnitt laut und chaotisch sei. Stimmt. Dort gibt es Frauen, die in Han­dys sprechen, und Kinder, die durch den ganzen Raum jagen. Aber stammt diese unruhige Stimmung vielleicht aufgrund der Abwesenheit eines Imams? Ein Imam, der auf die ganze Gemeinde blickt, kann einen Sinn für Aufmerksamkeit wecken.

Die Folgen der Barrieren zwischen den Geschlechtern machen nicht beim Gebet halt. Sie stehen auch der vollen Beteiligung von Frauen in der Gemeinschaft im Wege. Nicht in der Lage, sich in Diskussionen nach dem Gebet einzuschalten oder während einer Geldsammlung aufzustehen, bleibt die Frau im Dunklen zurück. Wir behindern uns selbst, wenn wir die Hälfte der Gemeinde verstecken, und so tun, als würde sie nicht existieren.

Ich würde meinen, dass die Wurzel des Problems nicht im Hindernis an sich liegt, weil es sich nicht leugnen lässt, dass einige Frauen die sich bietende Privatheit schätzen, sondern am Mangel an Entscheidungsfreiheit. Wir werden niemals gefragt, ob wir eine Wand zwischen uns und dem Imam wollen. Männer nehmen an, dass diese Anordnung unseren Wünschen entspricht. Nun, wie könnten sie uns fragen? Es ist ja eine Wand vorhanden.

Wohin sollen wir uns entwickeln? Einige wenige, kluge Moscheegemeinden entwickelten Mehrzweck-Raumteiler, die allen Frauen in ihren Gemeinden gerecht werden. Die Nueces-Moschee im texanischen Austin hängte einen Vorhang auf, den die Frauen nach Belieben aufziehen können. Die ISNA-Moschee im kanadischen Mississauga errichtete eine hüfthohe Barriere, die es den Frauen ermöglicht, den Imam zu sehen und zu hören, wenn er spricht. Andere wiederum haben halbe Vorhänge, die den Frauen die Wahl lassen, ob sie separat beten wollen oder nicht

Am Ende liegt die Antwort nicht im entweder-oder, sondern in offenen Diskussionen unserer Gemeinschaften über die Sache selbst. Gespräche, in denen Frauen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Gefühle über die Wand zu äußern, vor der sie jeden Tag stehen.

Die freiberufliche Journalistin Safiya Rabat studiert derzeit Islamische Studien mit ihrem Ehemann an der Internationalen Islamischen Universität Malaysia.