
Am 79. Jahrestage der Deportation der Krimtataren erinnerten Menschen weltweit an die Tragödie und forderten eine freie Krim.
Berlin. Ein Bündnis aus Vereinen, Initiativen und Künstlern rief anlässlich der Deportation des krimtatarischen Volkes durch das Stalinregime vor 79 Jahren zur Gedenkkundgebung in Berlin auf. Im Angesicht von russischer Okkupation 2014 und Angriffskrieg seit 2022 unterliegen Krimtataren starken Repressionen bis hin zu Verschwindenlassen und Mord. Aufgrund dieser Verfolgung mussten tausende krimtatarische Familien erneut die Heimat verlassen.
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Vergessenes Menschheitsverbrechen an Krimtataren
Am 18. Mai 1944 deportierte das sowjetische Regime alle Krimtataren – die indigene Bevölkerung der Krim – von der Krim in entlegene Regionen Zentralasiens, nach Sibirien und in den Ural. Sie wurden der „Desertion“ und der „Massenkollaboration mit den Faschisten“ beschuldigt, obwohl viele tausend Krimtataren zu der Zeit auf Seiten der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland kämpften.
Die Deportierten litten unter Hunger, Gewalt und Willkür. Die Hälfte der gesamten krimtatarischen Bevölkerung kam dabei ums Leben, darunter viele Kinder und alte Menschen. Erst seit 1988 durften die Krimtataren auf ihre Krim zurückkehren.
Russland in sowjetischer Kontinuität
Die Kontinuität der sowjetischen Unterdrückung von Andersdenkenden und die russisch-imperialistischen Ambitionen, die dem System inhärent sind, zeigten sich unter anderem seit 2014 mit der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim, nun gefolgt von dem umfassenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine seit Februar 2022.
Politisch und religiös motivierte Verfolgungen, Zwangsverschleppung, Entführungen von Ukrainern, Krimtataren und anderen proukrainischen Gruppen sind in den von Russland kontrollierten Gebieten zum Alltag geworden.
Weltweite Erinnerung und Solidarität
Am „Matem Günü“, dem Tag der Trauer, wird weltweit an die krimtatarischen Opfer der sowjetischen Deportation im Jahr 1944 gedacht und nun – seit 2014 – ebenfalls an die Opfer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. In Berlin versammelten sich unter hunderten Touristen und Berlinern ca. 70 Krimtatar*innen, Ukrainer*innen und ihre Freunde, um der Opfer zu gedenken, den russischen Angriffskrieg zu verurteilen und der Hoffnung auf Frieden und Freiheit für die Krim Ausdruck zu verleihen.
Gemeinsam wurde aus Kerzen eine Karte der Krim geformt und eindrückliche emotionale Redebeiträge gehalten von Vertreter*innen der Initiative Qırımlı, von Eva Yakubovska & Vlada Vorobjova (Vitsche e.V.), Sarah Reinke von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Dr. Mieste Hotopp-Riecke vom Institut für Caucasica- Tatarica- und Turkestan Studien (ICATAT), der ersten ukrainischen Parlamentarierin des Berliner Abgeordnetenhauses, Lilia Usik (CDU) sowie der Gesandten der Ukrainischen Botschaft, Oksana Dubovenko.
In Interviews und Reden wurde auch der Opfer des derzeitigen Angriffskrieges gedacht und die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert, z.B. Nariman Celal, Alim Sufianov, Seyran Khayredinov, Iryna Danilovych, Oleksandr Sizikov die bis zu 17 Jahren Lagerhaft bekamen.
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Ein trauriges Schicksal durchlebt zur Zeit Leniye Umerova, eine 25-jährige Krimtatarin, die vor fast sechs Monaten festgenommen wurde, als sie versuchte, über Georgien auf die Krim zu reisen, um ihren kranken Vater zu pflegen. Seitdem wird sie illegal in russischer Haft gehalten.
Basis der Zeitzeugen-Statements, die in Berlin verlesen wurden, waren Texte von Erwin Umerow (krimtatarischer Literat, 1938-2007), Swietlana Czerwonnaja (1936-2020) und Ali Khamzin (1958-2020). Viele weitere akademische und literarische Bücher zu krimtatarischer Geschichte und Kultur wurden auf einer Open-Air-Buchausstellung dem Berliner Publikum nähergebracht. Durch den Gedenkabend führten die Initiatorin von Info-Point Krim, Viktoria Savchuk (Berlin) sowie der Künstler und Aktivist Elvis Çolpuh (Initiative zur Förderung indigener Kulturen der Krim, Weimar).
Als musikalische Rahmung und Höhepunkte traten die Sopranistin Maire Paschajewa und der Violinist Temur Vakhabov auf. Krimtatarische Lieder wie „Güzel Qırım“, „Ural dağı“ und „Taksim“ klangen wehmütig und auch mutmachend in den Berliner Abendhimmel vor dem Brandenburger Tor.
Am selben Wochenende fanden viele weitere Gedenkgottesdienste, Kulturaktionen und Kundgebungen statt in Brüssel, Kiew, London, Iserlohn, Weimar, Köln und vielen anderen Städten weltweit.
Weitere Infos unter: www.facebook.com/infopointkrim/
Zum Weiterlesen, Sehen und Hören:
Videoreportage von Crimean Tatars TV zum 18. Mai 2023 in Berlin und Brüssel „Как 18 мая отметили за пределами Крыма“:
„Crimea was never Russian“ Essay by Elmaz Asan, ATR / Al Jazeera:
https://www.aljazeera.com/opinions/2023/5/18/crimea-was-never-russian
Nachrichtensendung mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj und den Mitgliedern des Milliy Medschlis (Nationalrat) des krimtatarischen Volkes, Mustafa Dschemilew, Refat Tschubar, Eskender Bari u.a.:
https://atr.ua/video/21904/zamannovini-2100-qt-180523
Pенат Беккин. Ак Буре. Крымскотатарская сага отрывок из романа: