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Kritik an deutscher Rüstungspolitik

Ausgabe 271

Foto: DoD, gemeinfrei

(KNA). Die Welt rüstet auf. Erstmals seit fünf Jahren haben internationale Rüstungskonzerne wieder mehr Waffen verkauft. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri unlängst mitteilte, betrug der Gesamtwert der von den 100 größten Unternehmen im Jahr 2016 gehandelten Waren und Dienstleistungen 374,8 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer Steigerung um 1,9 Prozent im Vergleich zu 2015 – nachdem die Werte in den fünf davor liegenden Jahren rückläufig waren. Ein beunruhigender Trend, den nun auch der neueste Rüstungsexportbericht der großen Kirchen nachzeichnet.
Dabei sind die Zahlen an sich nicht neu. Das mühsame Geschäft der Waffenkritiker besteht vielmehr darin, das statistische Material zusammenzutragen, zu interpretieren und vor diesem Hintergrund die eigenen Forderungen zu formulieren. Der jährlich erstellte Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) will „dem öffentlichen Dialog über diesen Politikgegenstand dienen“. In der 21. Auflage kommen die Autoren zu dem Schluss: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen große Lücken.
Positiv bewertet die GKKE das Bemühen um mehr Transparenz. So informiert die Bundesregierung seit 2014 nicht mehr nur einmal im Jahr, sondern alle sechs Monate über die tatsächlichen Exporte sowie die von ihr erteilten Ausfuhrgenehmigungen, die sich auf Waffengeschäfte in der Zukunft beziehen. Im Handel mit Kleinwaffen, beispielsweise Maschinenpistolen, gelten strengere Grundsätze. Und um zu verhindern, dass diese im Empfängerland in unbefugte Hände gelangen, soll es künftig vermehrt Vor-Ort-Kontrollen geben.
Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Im Bereich der Kleinwaffen wurden 2016 Einzelausfuhren in eine Gesamthöhe von 46,89 Millionen Euro bewilligt – ein Anstieg um 45 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Der Wert bei den Einzelausfuhrgenehmigungen für die dazugehörige Munition verzehnfachte sich gar, auf 327,76 Millionen Euro.
Deutschland bleibt zudem nach den USA, Russland, China und Frankreich im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 fünftwichtigster Exporteur von Großwaffen. Eine weitere Zahl: Im vergangenen Jahr erteilte die Bundesregierung Einzelausfuhrgenehmigungen im Gesamtwert von 6,848 Milliarden Euro; 54 Prozent davon betrafen geplante Exporte in Drittstaaten außerhalb von Nato und EU, die Fachleute oft kritisch sehen.
Zu den fünf größten Empfängerländern gehörten Algerien, Saudi-Arabien und Ägypten. Gleich drei Länder, in denen die politische Lage heikel ist. Bei den tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen lag der Anteil der Drittstaaten sogar bei mehr als 90 Prozent. Laut den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung sollten Exporte in Drittstaaten nur in begründeten Einzelfällen erfolgen, „wenn dies im außen- oder sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands liegt“, so der evangelische GKKE-Vorsitzende Martin Dutzmann und fügt trocken hinzu: „Die GKKE stellt fest, dass der Export an Drittstaaten mittlerweile zur Regel geworden ist.“
Dutzmanns katholischer Kollege Karl Jüsten erneuerte seine Forderung nach einem Rüstungsexportkontrollgesetz. Ein vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Anfang 2016 angestoßener Konsultationsprozess verlief im Sande. Unter einer neuen Regierung, so hofft Jüsten, könnte dieses Vorhaben wieder aufgenommen werden.
Die Zeit drängt, wie Mitautor Max Mutschler vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) klar macht. Mit Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds würden ab 2020 erstmals explizit Mittel aus dem EU-Haushalt für die Rüstungsforschung und –entwicklung bereitgestellt. Es bestehe die Gefahr, „dass eine Europäisierung der Rüstungsindustrie nationale Rüstungsexportkontrollen erschwert, da es Rüstungsfirmen ermöglicht wird, diese zu unterlaufen“.
Unterdessen machen Zahlen die Runde, wonach die Genehmigungen für die umstrittenen Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien 2017 zurückgegangen sind. Dafür stiegen die Zahlen bei den Vereinigten Arabischen Emiraten. Deutsche Unternehmen machen weiter gute Geschäfte. Im vergangenen Jahr konnten sie bei den Verkäufen laut Sipri um 6,6 Prozent im Vergleich zu 2015 zulegen.