Libyen: Wer ist General Khalifa Haftar und wer unterstützt ihn?

(iz). Über 80 Personen starben am Wochenende bei Kämpfen in den zwei größten libyschen Städten Benghasi und Tripolis. Für die neusten Unruhen sind General Khalifa Haftar und seine Miliz verantwortlich. Unter dem Namen „‘Amaliyya Al-Kirama“ (Operation der Würde) versucht Haftar, vermeintliche Extremisten landesweit zu vertreiben. Auf seiner Abschussliste stehen auch hohe Politiker im Parlament.

Khalifa Haftar unterstützte schon 1969 Muammer Gaddafi bei seinem Putsch gegen König Idris. Unter diesem machte er Karriere zum Generalstabchef. Während des Tschadkrieges sagte er sich von Gaddafi los und versuchte mit Unterstützung der USA einen Staatsstreich gegen ihn. Als er scheiterte, setzte er sich in die USA ab und lebte die nächsten 20 Jahre in Washington, nahe der Zentrale des US-Geheimdienstes. Dort soll er auch geschult worden sein.

Als er während der libyschen Revolution im Jahr 2011 zurückkehrte, sahen ihn damals schon viele Revolutionäre als „CIA-Marionette“. Aus dem Grund ließ man ihn lediglich Bodentruppen ausbilden. Bei der Zusammensetzung der libyschen Armee, ließ man ihn außen vor und das berechtigterweise, wie sich später herausstellten sollte. Haftar versuchte schon am 14. Februar dieses Jahres den Sturz des Allgemeinen Nationalkongresses (GNC), Libyens höchster Legislativbehörde. Er scheiterte und tauchte danach unter. Vergangenen Sonntag, dem 18. Mai, scheiterte ein weiterer Putschversuch.

Gleichzeitig machte Haftar Muslimbrüder, die die Mehrheit im GNC stellen, für die sich häufenden Entführungen und Mordanschläge auf Politiker verantwortlich. Solche zu beseitigen, gehöre deswegen ebenfalls zu seinem Plan. Mit seiner selbsternannten „Nationalen Armee“ begann sein Feldzug am Freitag, dem 16. Mai. Ohne Wissen des GNC oder des libyschen Militärs bombardierte Haftar mit Kampfflugzeugen die Lager verschiedener Brigaden in Benghasi. Dabei griff er auch Brigaden an, die offiziell der Regierung unterstellt sind. Die Brigaden antworteten mit Flugabwehrgeschossen. Zum Ende des Tages starben 79 Personen, 141 wurden verletzt.

Noch am selben Abend verlasen die Regierung, das Parlament und die Armee ein gemeinsames Statement im libyschen TV, in dem Haftar und seine Miliz zu „Abtrünnigen“ und ihre Handlungen für „illegal“ erklärt wurde. Zudem warnte die Regierung, jeden wie einen „Kriminellen“ zu verfolgen, der sich dieser Miliz anschließen will. Haftar meldete sich daraufhin selbst zu Wort und verkündete, er werde den „unausweichlichen Krieg gegen die Terroristen“ weiterführen.

Tags darauf gingen Haftars Männer in der Hauptstadt Tripolis gegen vermeintliche Extremisten und Muslimbrüder vor und töteten zwei Personen sowie verletzten viele. Die Zintan-Brigade, der wohl eingeschworenste Feind der Muslimbrüder, schloss sich Haftars Feldzug an und stürmte das Parlament am Sonntag. Das Parlamentsgebäude fing Feuer und mehrere Abgeordnete wurden von den Angreifern festgenommen. Bei der Aktion in der Hauptstadt starb auch der Imam einer Moschee. Während der General weiter Luftangriffe flog, verhängte der GNC eine Flugverbotszone über Libyen und rief alle der Regierung unterstellten Brigaden auf, sämtliche Kampfflugzeuge abzuschießen.

Ob sich Haftar seinen harten Kurs gegen vermeintliche Extremisten von der CIA entwerfen ließ, wäre eine interessante Frage. Wovon viele Libyer jedoch überzeugt sind, ist, dass der ägyptische Präsidentschaftskandidat Abdel-Fatah Al-Sisi ihn bei seinem Vorhaben unterstützt. Nicht zuletzt aus dem Grund, nachdem Haftar am 20. Mai im ägyptischen TV-Sender „Tahrir“ Al-Sisi öffentlich um Hilfe bat, „Terrorgruppen in Libyen zu vernichten“. Auch in der libyschen Parteienlandschaft gehören die Muslimbrüder zur best organisiertesten Gruppe. Mit ihrer Partei für „Gerechtigkeit und Aufbau“ kontrollieren sie mit Gleichgesinnten die Parlamentsmehrheit. Für Al-Sisi zweifellos eine beständige Gefahr. Die Entmachtung der Muslimbrüder im erdölreichen Nachbarstaat würde zuallererst ihm zu Gute kommen. So schlussfolgern nicht wenige, dass er schon seit geraumer Zeit plane, einen Machtwechsel in Libyen voranzutreiben.

Seit dem 12. Mai kursierten Berichte in arabischen Medien, wonach Al-Sisi aufgrund einer „islamistische Bedrohung“ aus Ost-Libyen eine militärische Operation beginnen will. In einem Interview mit Reuters sagte Al-Sisi: „Libyen, welches nach dem Sturz Muammer Gaddafis ins Chaos fiel, stellt heute eine Bedrohung für Ägypten dar.“ Libysche Medien zitierten auch Muhammed Bin Zayid, Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate, wonach er den Vorschlag Al-Sisis begrüße, in Libyen zu intervenieren, die Muslimbruderschaft zu bekämpfen und somit für Sicherheit in der Region zu sorgen. Auf anheizende Weise berichten ägyptische Staatsmedien zudem, dass im Osten Libyens eine „Freie Ägyptische Armee“ ansässig wäre und vom libyschen Territorium aus operiere. Bei der Gruppe solle es sich um desertierte ägyptische Militärangehörige handeln. Ein Vorwurf, den der Sprecher des libyschen Generalstabchefs, Ali Al-Sheikhi, bestreitet.

Berichte eines israelischen Militärnachrichtendienstes behandelten in diesem Zusammenhang den Besuch des ägyptischen Geheimdienstchefs, Muhammad Farid Al-Tuhamy, in Washington. Dort beklagte Al-Tuhamy die Sicherheitslage an der libysch-ägyptischen Grenze und erwähnte, dass Al-Sisi Kampfhubschrauber vom Typ Apache für eine militärische Operation in Ost-Libyen einsetzen könnte. Diese hatte das Ägyptische Militär erst kürzlich aus Washington erhalten.

Andere Quellen behaupten, die USA hätten der ägyptischen Armee bereits Grünes Licht für eine solche Operation gegeben. Dabei solle Washington genaue Koordinaten weitergegeben haben. Libyens Nachbarland Algerien reagierte auf solche Pläne bestürzt und erklärte, dass algerische Militär würde bei einer ägyptischen Invasion den Libyern beiseite stehen. Die algerische Armee sei vorbereitet, einen Angriff ägyptischer Truppen in Ost-Libyen abzuwehren, erklärte Algeriens Botschafter, Abdul Hamid Abu Zahar, am Sonntag den 18. Mai in Tripolis. Ob es soweit kommen wird, ist fragwürdig. Zumal es so scheint, als hätte Abdel-Fatah Al-Sisi seinen Mann in Libyen gefunden, der ihm plötzlich alle Wünsche von den Lippen abliest.