Mehr Mitsprache

Ausgabe 270

(KNA/iz). Migrantenvereine fordern in diesem Zusammenhang mehr politische Mitsprache bei Fragen von Zuwanderung und Integration. Zum Auftakt des ersten bundesweiten Kongresses von 46 Migrantenorganisationen beklagten mehrere Vertreter am 20. November in Berlin, dass Migration weitgehend nur noch mit Blick auf die Abwehr von Flüchtlingen thematisiert werde.
Bei den Sondierungsrunden für eine Jamaika-Koalition hätten lediglich zwei der 52 Mitglieder einen Migrationshintergrund gehabt, kritisierte die Sprecherin des Bündnisses Neue Deutsche Organisationen (NDO), Ferda Ataman. Statistisch hätten aber 23 Prozent der Bundesbürger einen Migrationshintergrund. Sie forderte von der kommenden Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz sowie das Signal, dass Einwanderer willkommen seien. Derzeit habe man eher den gegenteiligen Eindruck.
Das jüngste Scheitern der Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition könne auch eine Chance sein. Es brauche eine Vision für ein Land, das allen Menschen Heimat und Identität geben könne und keine kleinkarierten Zahlenspielchen mit dem Leben von verfolgten Menschen, sagte Dominik Wullers, stellvertretender NDO-Sprecher und Mitglied beim Verein Deutscher.Soldat e.V.. „Auch jenseits von Sondierungsgesprächen spricht niemand mehr darüber, wie die Einwanderungsgesellschaft gestaltet werden kann. Alle reden über Fluchtursachen und Integration von Neuzuwanderern“, kritisiert Wullers. Alle Parteien gingen offenbar von der Prämisse aus, dass die meisten Menschen in Deutschland gegen die Zuwanderung von Geflüchteten seien. Doch Studien belegten, dass das nicht stimme und viele Deutsche Zuwanderung optimistisch gegenüberstünden. Umso wichtiger sei die Mitsprache von Menschen aus Einwandererfamilien.
„Die politische Partizipation wurde uns unglaublich schwer gemacht“, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Cansu Ceren. Sie forderte eine bessere finanzielle Ausstattung der Organisationen. Nach den Worten Atamans erlebt die Bundesrepublik derzeit einen noch nie dagewesenen Rechtsruck. „Die Daseinsberechtigung von Menschen, die nicht so aussehen, wie man sich früher Deutsche vorgestellt hat, wird derzeit infrage gestellt“, beklagte sie.
Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlinge sowie Muslime sei in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Rassismus gehöre inzwischen zum Alltag. Es sei „besonders ärgerlich, dass derzeit unter den Ängsten und Sorgen der Bürger antimuslimische Ressentiments salonfähig gemacht werden“, kritisierte Ataman. Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats, Lajos Fischer, forderte eine interkulturelle Öffnung für Menschen mit Migrationshintergrund auch in Parteien. „Wir wollen Deutschland mitgestalten und haben ein Interesse am Aufbau der Demokratie“, so Fischer.