Menschenrechtler mahnen zu mehr Engagement gegen Rassismus

Pegida und Tröglitz bilden nach Ansicht von Menschenrechtlern nur die Spitze des Eisbergs. Sie fordern, genauer hinzusehen. Rassismus sei in Deutschland ein unterschätztes Problem.

Berlin (KNA). 25.000 Demonstranten gegen „die Islamisierung des Abendlandes“, ein brennendes Asylbewerberheim, Morddrohungen gegen Politiker: Diese Themen machten zuletzt Schlagzeilen. Nach Einschätzung von Menschenrechtlern steckt dahinter ein grundlegendes Problem. Rassismus werde in Deutschland zu eng definiert – und als gesellschaftliches Problem unterschätzt.

Zumeist werde der Begriff mit „gewalttätigem und organisiertem Rechtsextremismus gleichgesetzt“, sagt Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechter (DIMR). Das sei problematisch, da sich Rassismus nicht nur in rechtsextremen Milieus, sondern in der gesamten Gesellschaft finde.

Eine Einschätzung, die auch Amnesty International teilt. Viele Politiker und Parteien hätten sich etwa von den anti-islamischen Slogans der Pegida-Bewegung nicht konsequent genug abgegrenzt. „Diese Haltung trägt zur Stigmatisierung von Minderheiten bei“, beklagt die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Selim Caliskan.

Beispiele gebe es viele, so DIMR-Experte Cremer: etwa gesetzliche Vorgaben, die Flüchtlingen den Zugang zum Wohnungsmarkt erschwerten. Offensichtlich geworden sei der Handlungsbedarf bei den Ermittlungen zu den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Hier hätten Einstellungs- und Verhaltensmuster, die auf rassistischen Stereotypen basierten, erfolgreiche Ermittlungen erschwert.

Als Konsequenz aus diesem Versagen der Sicherheitsbehörden kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im vergangenen Sommer an, „dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtenden Motive bei der Strafzumessung künftig stärker berücksichtigt werden“. Seither wird über Hasskriminalität diskutiert.

Die Amadeu Antonio Stiftung betont, dass Hass nicht erst dann zum Problem wird, wenn er sich in handfesten Straftaten äußert. Seit der Erfindung der Sozialen Netzwerke, schreibt die Vorsitzende Anetta Kahane in einer soeben erschienen Broschüre, „erfahren wir mehr über den Hass unserer Mitmenschen, als uns lieb ist“. Vorurteile, die sich auf Facebook, Twitter und Co. Bahn brächen, könnten ansteckend wirken und die Hemmschwelle senken.

Den Begriff „Rassismus“ meidet Kahane. Auch das Konzept der Hasskriminalität beschränkt sich nicht darauf, sondern bezieht sich auf Straftaten, die sich gezielt gegen Angehörige einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe richten, etwa Ausländer, Angehörige von Religionsgruppen oder Homosexuelle. Entscheidend ist, dass sich das Verbrechen nicht ausschließlich gegen eine einzelne Person richtet, sondern gegen die soziale Gruppe, der das Opfer angehört.

Indes ergeht es der Hasskriminalität ähnlich wie dem Rassismus: Im Polizeialltag werde das Verständnis zu stark auf eine politische Motivation verengt, erklärt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Das führe oft dazu, dass der rassistische Hintergrund von Straftaten, die nicht eindeutig dem organisierten Rechtsextremismus zuzuordnen seien, gar nicht erfasst werde. Das Thema solle besser in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Polizei und Justiz einbezogen werden, forderte Lüders.

Amnesty mahnt zudem ein Umdenken beim so genannten Racial Profiling an. Der Ausdruck aus der US-amerikanischen Kriminalistik bezeichnet Ermittlungsmethoden von Polizei und Sicherheitsbehörden, die auf allgemeinen Kriterien wie Religion, ethnischer oder nationaler Herkunft einer Person basieren. Die Bundesregierung bestreitet, dass deutsche Behörden so vorgehen. Amnesty fordert dagegen Maßnahmen gegen „diskriminierende Polizeikontrollen“. Sie zerstörten das Vertrauen ethnischer Minderheiten in die Polizei und stärkten die Vorurteile derjenigen, die solche Kontrollen beobachten.

Entsprechende Appelle erhofft Amnesty sich von der Vorstellung des Staatenberichts zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention in Deutschland. Am Dienstag und Mittwoch präsentiert ihn der zuständige UN-Ausschuss in Genf. Auch das DIMR sieht darin eine große Chance: Man erhoffe sich „klare Signale, damit die Bekämpfung von Rassismus in Deutschland endlich zu einem wichtigen Politikfeld wird“.