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Muslimischer Medienalltag oder das Problem der Bilder

Ausgabe 341

muslimisch medien
Foto: freepic.diller, Freepik.com

Ein muslimisches Medium zu produzieren bedeutet, die richtigen Bilder zu finden. Hier lauern Fallstricke.

(iz). Ein Medium von MuslimInnen für alle LeserInnen herauszugeben, ist mit verschiedenen Herausforderungen und Aufgaben verbunden. Eine davon ist die Auswahl der richtigen und passenden Bilder. Das ist manchmal anspruchsvoller, als es von außen betrachtet scheint. Deshalb freuen wir uns immer darüber, wenn Mitmachende nicht nur Texte schicken, sondern uns genauso mit Fotos weiterhelfen.

Muslimischer Medienalltag: Die richtige Darstellung finden

Bildredaktion und Bildbearbeitung gehören zu den Kernaufgaben eines Mediums – ob Print beziehungsweise online. Bilder ziehen an, erklären, differenzieren, konterkarieren oder verstärken Inhalte. Sie sind wichtig, um LeserInnen zu interessieren, an sich zu binden und Texte aufzulockern.

Die Erkenntnis, dass Bilder mehr sagen als tausend Worte, mag banal erscheinen. Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass dieser Satz nicht falsch ist. Jede Illustration, die Emotionen (welcher Art auch immer) auslöst, weckt stärkeres Interesse als banale oder nichtssagende Darstellungen. Das stellt die Redaktion eines kleinen, unabhängigen Mediums vor einige Herausforderungen.

Foto: Bill Ebbesen | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Fallstrick 1: Welches Bild darf ich verwenden?

Selbst wenn BloggerInnen und die absolute Mehrheit aller NutzerInnen sozialer Medien sich selten darum kümmern: Darstellungen im Netz sind nicht per se frei. Hier gilt für jeden Akteur: Ich darf Bilder (Fotos, Gemälde, Grafiken, Logos etc.) nur dann abbilden, wenn sie entweder von mir stammen oder die Verwendung in einem rechtlich eindeutigen Verhältnis steht. Ansonsten lautet die Regel: Finger weg! Sie sind grundsätzlich Eigentum des Rechteinhabers und dürfen nicht ohne dessen Zustimmung verwendet werden.

Was heißt das zum Beispiel für uns? Es bedeutet, dass die meisten dramatischen, tagesaktuellen Darstellungen von Ereignissen wie Kriegen, Erdbeben etc. für uns größtenteils gesperrt sind. Gleiches gilt z.B. für Porträts bekannter Persönlichkeiten etc. Solche Bilder kann ein Nutzer legal nur erwerben, wenn er sie beim Verkäufer kauft und oft auch noch eine Nutzungslizenz erwirbt (für die Online-Nutzung gelten andere Regeln und Preise als für den Druck etc.)

Jedes kleine Medium wird sich überlegen müssen, ob und für welches Bild es Summen von meist mehreren hundert Euro ausgeben will. Für die Titelseite einer Printausgabe mag das angehen, online rechnet sich das nicht.

Um dennoch an eine Illustration zu kommen, greifen Redaktionen auf verschiedene Kanäle zurück: 1.) das eigene Archiv, sofern vorhanden, 2.) man fragt herum (was z.B. bei internationalen Themen selten möglich ist), 3.) man greift zu Quellen, die Fotos unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlichen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Letztere Bilder werden mit Bedingungen freigegeben, die es zu beachten gilt. Die vielleicht wichtigste davon ist der Hinweis „keine kommerzielle Nutzung“.

Die andere große Möglichkeit sind so genannte Stock-Bilder. Hier gibt es einen erheblichen Unterschied. Plattformen wie Unsplash, die ihre Fotos kostenlos anbieten, und solche wie Adobe, Shutterstock oder Dreamstime, bei denen die Redaktionen zwar für jedes einzelne Bild einen (relativ geringen) Beitrag verlangen, aber keine zusätzliche Zahlung für die Rechte.

Leider haben diese Stockphotos Mankos. Bei den kostenlosen Services findet man kaum Content zu aktuellen Themen wie einem Anschlag im Ausland oder einem Erdbeben. Kommerzielle Dienste haben manchmal etwas, aber darauf kann man sich nicht immer verlassen. Zumal diese Produkte oft den Nachteil haben, dass ihre Inhalte gestellt oder austauschbar wirken.

Foto: Danon, Adobe Stock

Fallstrick 2: Welches Framing transportiert das Bild?

Hat man (im Idealfall) mehrere Fotos zur Auswahl, steht man vor der Entscheidung, welches man nehmen soll. Dabei geht es um technische und inhaltliche Fragen: Passt das Bild in mein Layout? Ist es skalierbar bzw. kann ich es zuschneiden? Passt es inhaltlich zum Text? Verstärkt oder relativiert es den Inhalt? Eine Frage, die heute immer wichtiger wird: Welchen Blickwinkel bediene ich damit?

In der Vergangenheit (jetzt deutlich weniger) gab es nicht selten kritische Reaktionen, da ein Bild einem Leser oder einer Leserin „nicht islamisch“ genug war und nicht hätte verwendet werden dürfen. So gab es beispielsweise Beschwerden, weil das Kopftuch einer abgebildeten Frau nicht alle Haare bedeckte oder ein unliebsamer Politiker zu sehen war. Es kam vor, dass wir von Einzelpersonen kritisiert wurden, wir seien „nicht islamisch genug“, weil wir solche Dinge abdruckten bzw. auf unserer Website verwendeten.

Und gelegentlich hörten wir den Vorwurf, MuslimInnen dürften überhaupt keine Bilder verwenden, auf denen Menschen zu sehen sind. Mit einer solchen Einstellung ist es schwierig, ein Medium zu betreiben.

Beispiel für ein beliebtes Motiv beim Thema Islam, aber leider stereotyp: Eine muslimische Frau wird von hinten fotografiert und so in einem Kontext geframt. Foto: P. Sierra, Adobe Stock

Gott sei Dank ist das heute kaum noch ein Problem. Etwas anderes ist zu einer echten Herausforderung geworden: Welchen Blick und welche Stereotypen transportiere ich, wenn ich ein bestimmtes Bild verwende? Der Klassiker ist zum Beispiel die muslimische Frau/die muslimischen Frauen in der Fußgängerzone, aus sicherer Entfernung von hinten oder der Seite fotografiert.

Diese Abbildung von Musliminnen, die für viele Illustrationen von „Islam“ verwendet wird, ist allgegenwärtig. Obwohl sich alle daran gewöhnt haben, möchte unsere Redaktion dieses Bild und die damit verbundene Botschaft nicht reproduzieren. Das heißt, wenn wir konkrete Darstellungen einer oder mehrerer muslimischer Frauen benötigen, müssen wir Alternativen finden.

MuslimInnen haben sich ihrerseits Blickgewohnheiten angeeignet. Dazu gehört die häufige grafische Gleichsetzung von MuslimInnen mit Priestern respektive Nonnen. Dieser Vergleich ist sachlich und formal falsch. Es hat historisch nie eine globale muslimische „Uniform“ gegeben.

Insofern ist es uns z.B. wichtig, sie nicht per se als Menschen aus dem Nahen Osten mit einer spezifischen Trachtentradition darzustellen. Sondern eben aus Afrika (das in der grafischen Darstellung der globalen Muslimosphere vernachlässigt wird), Asien oder Europa.

Das führt uns zur Vermeidung eines weiteren Stereotyps: Dass Islam bzw. seine Lebenspraxis per se fremd oder „orientalisch“ sei. Aus diesem Grund ist es uns ein Anliegen, grafisch zu dokumentieren, dass Muslime in der Anbetung genauso Amerikaner, Europäer, Afrikaner oder Japaner sein können.

Foto: Lara Solanki

Fallstrick 3: zwischen berechtigter Repräsentation und Identitätspolitik

Schließlich haben wir es mit einer Kategorie zu tun, die in den letzten 5-10 Jahren hinzugekommen ist: Vielfalt und Repräsentation. Unsere Gemeinschaft in Deutschland ist bunt und vielfältig – das gilt erst recht weltweit. Das bedeutet, dass ein muslimisches Medium, das dieser Realität gerecht werden will, nicht nur eine Gruppe abbilden kann, sondern im Rahmen der Möglichkeiten so viele Elemente wie möglich einbeziehen muss.

Was bedeutet das konkret für die Illustration eines Themas? Vor die Wahl gestellt, einen Text mit dem Foto einer Muslimin oder eines Muslims zu bebildern, sich einmal mehr als weniger für das mit der Muslimin zu entscheiden.

Dasselbe gilt in unterschiedlichem Maße für verschiedene ethnische Hintergründe oder die Einbeziehung von KonvertitInnen. Dies ist nur im Rahmen der Verfügbarkeit von Bildmaterial möglich, die (wie oben beschrieben) nicht immer in gleichem Maße gegeben ist.

Was wir nicht machen, ist Identitätspolitik. Unsere Redaktion führt keine Strichliste, wer mit welchem Hintergrund wie oft in welchem Zusammenhang abgebildet wird. Natürlich bemühen wir uns, Stereotypen zu durchbrechen und verschiedene Elemente unserer vielfältigen Gemeinschaft zu repräsentieren. Aber gerade wegen dieser Vielfalt verbietet sich jeder identitäre Ansatz.

Die verbindende Klammer kann nicht die geographische oder kulturelle Herkunft oder die Zugehörigkeit zu einem imaginären, soziologisch gelesenen Kollektiv sein, sondern Allahs Din.