Osnabrück (KNA). In Moscheegemeinden geht es weit demokratischer zu als eine Mehrheit der Deutschen laut Umfragen unterstellt und weiß. Und: 95 Prozent der Muslime hierzulande befinden sich längst in einem Integrationsprozess. Das sind Ergebnisse einer Podiumsdiskussion zum Thema «Die Rolle der Moscheegemeinden in Deutschland – Teilhabe, Miteinander oder Abschottung?» am Montagabend in Osnabrück. Eingeladen hatte das Institut für Islamische Theologie an der Uni Osnabrück.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) plädierte dabei für mehr Differenzierung in der Begegnung mit dem Islam. «Was ich feststelle, ist die Vergewaltigung von Religion, die weltweit ja ebenso von anderen Glaubensgemeinschaften praktiziert wird», so der langjährige Oberbürgermeister von Osnabrück, seit drei Monaten Innenminister. «Als erstes habe ich die verdachtsunabhängigen Kontrollen vor den Moscheen einstellen lassen», betonte Pistorius, ohne seinen Vorgänger Uwe Schünemann (CDU) namentlich zu nennen. Allerdings: Wie der aktuelle Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung gezeigt habe, empfinde die Hälfte der Deutschen den Islam als Bedrohung. «Diese Angst müssen wir ernst nehmen», so der Minister. Dagegen brauche es Aufklärung und das Bekenntnis der Moscheegemeinden, dass sie mit Gewalt nichts zu tun haben wollten.
Auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft fühle man sich von islamistischen Gewalttätern gefährdet, ergänzte die Autorin und Rechtsanwältin Seyran Ates aus eigener Erfahrung. «Die wollen uns ebenfalls an den Kragen.» Weitgehend Konsens gab es auf dem Podium zu den jüngst in Hamburg und Bremen geschlossenen Staatsverträgen mit den dort lebenden Muslimen. Einzig Ates kritisierte, dass Muslime, die nicht Verbänden wie etwa der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) angehörten, damit außen vor blieben. «Wer vertritt diejenigen, die nicht organisiert sind und das bleiben wollen?» Doch sie sah ebenso die Notwendigkeit für den Staat, für Verhandlungen einen Vertragspartner zu benötigen.
Der Vorsitzende des DITIB-Landesverbands Niedersachsen und Bremen, Yilmaz Kilic, berichtete von enormen Teilhabechancen, die die neuen Staatsverträge auf für die Moscheegemeinden brächten. «Was in die Verträge hinein soll, wird in den Gemeinden lebhaft diskutiert.» Kilic gab Einblicke in den Aufbau einer Gemeinde. Man sei als Verein mit öffentlich einsehbarer Satzung organisiert, betreibe Kultur-, Sport und Pressearbeit und beteilige sich an Straßenfesten. «Es gibt bereits Moscheegemeinden, die von einer Frau geführt werden», so der Unternehmer aus Melle. Einzig der Imam sei als Geistlicher hauptamtlich bestellt – die gesamte Infrastruktur finanzierten aber die jeweiligen Gemeindemitglieder.
Diese mittlerweile gewachsenen Strukturen führten derzeit zu einer Professionalisierung bislang ehrenamtlicher Dienstleistungen, sagte Engin Karahan, stellvertretender Generalsekretär der Gemeinschaft Milli Görüs. «Wir müssen den Leuten beispielsweise gut ausgebildete Erzieher bieten, weil die hilfreich mit Problemen umzugehen verstehen.» Zudem würden die eigenen Wohlfahrtsleistungen immer mehr mit denen von Caritas und Diakonie verglichen. «Gerade unsere jungen Leute wollen genau wissen, was der Gemeindevorstand ganz konkret für sie tun kann», fügte Kilic hinzu.
Die Außenaktivitäten von Moscheegemeinden spiegelten sich kaum in den Medien wider, beklagte Emine Oguz, Landeskoordinatorin von 84 Moscheegemeinden in Niedersachsen und Bremen. «Ich finde, die allermeisten Moscheegemeinden arbeiten transparent.» Es seien vielleicht fünf Prozent der Muslime, die Probleme bereiteten, doch nur die nehme die mediale Öffentlichkeit wahr, pflichtete ihr Kilic bei. «Wir hören aber nie etwas von den 95 Prozent Muslimen in Deutschland, die ganz normal leben.»