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Viel mehr antisemitische und islamfeindliche Straftaten

Solingen Feuer Brandstiftung islamfeindlich

Der Terror vom 7. Oktober und 30.000 getötete Zivilisten in Gaza wirken auch in Deutschland nach. Antisemitische und islamfeindliche Verbrechen nehmen zu.

Berlin (dpa). Die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten ist in den vergangenen Monaten enorm angestiegen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Unionsabgeordneten Christoph de Vries (CDU) hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, haben sich die islamfeindlichen Straftaten im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.

Antisemitische und islamfeindliche Straftaten als Kriegsfolge

Hintergrund für beide Entwicklungen dürften der terroristische Angriff der Hamas in Israel am 7. Oktober und der kurz darauf begonnene Krieg im palästinensischen Gazastreifen sein.

Die Polizei registrierte in Deutschland demnach im Jahr 2023 bundesweit 5154 Taten, bei denen ein antisemitisches Motiv vermutet wird – deutlich mehr als im Jahr zuvor. 2022 war die Zahl der erfassten antisemitischen Delikte um knapp 13 Prozent auf 2641 Straftaten gesunken.

Polizeischutz vor einer Synagoge in Berlin. (Foto: Tobias Arhelger, Shutterstock)

In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden den Angaben zufolge 765 antisemitische Straftaten gemeldet.

Als islamfeindlich wurden 2023 bundesweit 1464 Straftaten klassifiziert – nach 610 islamfeindlich motivierten Taten im Vorjahr. Im ersten Quartal 2024 zählte die Polizei 137 islamfeindliche Straftaten.

Statistiken haben noch vorläufigen Charakter

Die Bundesregierung wies in ihrer Antwort darauf hin, dass die Polizeistatistik zur Politisch motivierten Kriminalität für 2023 und das laufende Jahr noch vorläufigen Charakter haben, weil sich durch Nachmeldungen beziehungsweise neue Erkenntnisse noch Änderungen ergeben können.

Blickt man auf, die Zahl der Menschen, die bei antisemitisch oder islamfeindlich motivierten Straftaten verletzt wurden, zeigt sich, dass zwar deutlich mehr antisemitische als islamfeindliche Taten registriert wurden. Die Zahl der Verletzten war im vergangenen Jahr jedoch in beiden Fallkonstellationen ähnlich.

Faeser DIK Rechtsextremisten Geld

Foto: Deutscher Bundestag / Leon Kügeler / photothek

So wurden 2023 laut Statistik 56 Menschen bei antisemitischen Taten verletzt. Im ersten Quartal dieses Jahres gab es sieben Verletzte. Bei islamfeindlichen Straftaten gab es im vergangenen Jahr 53 Verletzte in Deutschland. In den ersten drei Monaten dieses Jahres zählte die Polizei hier neun Verletzte.

„Die Bekämpfung des Antisemitismus erfordert ganz konkrete Maßnahmen und nicht die ständige Wiederholung hohler Phrasen ohne jede gesetzgeberische Konsequenz“, sagte Innenpolitiker de Vries. „Unser Ziel ist ein parteiübergreifender Maßnahmenkatalog mit den Ampel-Fraktionen.“

Die Union hatte in der vergangenen Woche mehrere Anträge gestellt, die aus ihrer Sicht der Bekämpfung von Antisemitismus dienen. Unter anderem schlug die Fraktion vor, die sogenannte Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen.

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Koranverbrennung: Dänemark und Schweden wollen islamfeindliche Handlungen verhindern

Koranverbrennung Schweden Islamfeindlich

Erneuter Vorfall in Schweden

Stockholm (dpa/IZ) Vor dem schwedischen Parlament ist erneut eine Ausgabe des Korans verbrannt worden. Zwei Männer hätten die Heilige Schrift der Muslime zunächst mit Füßen getreten und dann angezündet, meldete die schwedische Nachrichtenagentur TT am Montag. Dabei hätten sie auch Bilder muslimischer Führer getreten.  

Die Männer waren bereits häufiger mit islamfeindlichen Aktionen aufgefallen. Vor gut zehn Tagen hatten sie vor der irakischen Botschaft in Stockholm eine Koranausgabe in Brand gesetzt, woraufhin es in mehreren muslimischen Ländern zu heftigen Protesten kam. Im Irak stürmte eine aufgebrachte Menge die schwedische Botschaft. Die Regierung verwies die schwedische Botschafterin des Landes. 

Bei der Aktion am Montag hätten die Männer keine sichtbaren Unterstützer gehabt, meldete TT. Etwa 15 Gegendemonstranten hätten gegen die Handlungen protestiert. 

Zuvor hatte Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson mitgeteilt, er stehe wegen der Koranverbrennungen in engem Kontakt mit der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen. Deren Regierung hatte angekündigt, sie suche nach Wegen, solche islamfeindlichen Handlungen aus Sorge um die öffentliche Sicherheit juristisch zu verhindern. 

Es sind kleine Aktionen, doch die Wut in der muslimischen Welt ist gewaltig

Wiederholt wurden in Dänemark und Schweden Koranausgaben verbrannt. Es sind kleine Aktionen, doch die Wut in der muslimischen Welt ist gewaltig. Nun wollen die Regierungen gegen die Verbrennungen vorgehen. Doch das könnte kompliziert werden. 

Nach teils gewaltsamen Protesten in muslimischen Ländern suchen Dänemark und Schweden nach Wegen, Koranverbrennungen juristisch zu unterbinden. Die dänische Regierung kündigte an, Rechtsmittel gegen islamfeindliche Aktionen vor ausländischen Botschaften zu prüfen. Dabei ist vor allem die Sorge groß, dass muslimische Extremisten in den beiden nordischen EU-Ländern Attentate verüben könnten.

„Wir befinden uns in der schwersten sicherheitspolitischen Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, und wir wissen, dass sowohl Staaten, staatsähnliche Akteure als auch Einzelpersonen die Situation ausnutzen können“, schrieb der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson bei Instagram. Er sei in engem Austausch mit seiner dänischen Kollegin Mette Frederiksen, deren Außenminister Lars Løkke Rasmussen am Montag von einem „ziemlich hohen und erhöhten Bild der terroristischen Bedrohung“ sprach. Besonders heikel ist der Konflikt für Stockholm: Denn die Koranverbrennungen waren ein Grund, warum die Türkei eine schwedische Nato-Mitgliedschaft lange blockierte. 

Die Latte für ein juristisches Vorgehen gegen Koranverbrennungen liegt hoch

Die Latte für ein juristisches Vorgehen liegt aber hoch. Auch in Deutschland wäre eine kommentarlose Verbrennung religiöser Schriften nicht strafbar, schrieb der Strafrechtler Harald Lemke-Küch in einem Kommentar für „Legal Tribune Online“. Weder der Paragraf 166 des Strafgesetzbuches – „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ – noch der Paragraf 130 – „Volksverhetzung“ – könnten dann zum Tragen kommen.  

In Dänemark und Schweden sind die Versammlungs- und die Demonstrationsfreiheit von der Verfassung stark geschützt. Auch deshalb verwarfen Gerichte in Stockholm ein von der Polizei verhängtes Verbot der islamfeindlichen Proteste. In den vergangenen Wochen fanden daraufhin mehrere Aktionen statt.  

Foto: FrankHH, Shutterstock

Obwohl es sich um äußerst kleine Kundgebungen einer Handvoll Menschen handelte und die Regierungen in Stockholm und Kopenhagen die Schändungen scharf verurteilen, kam es in muslimischen Ländern zu Massenprotesten. Im Irak stürmte ein Mob die schwedische Botschaft, die Botschafterin wurde ausgewiesen.  

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit berief für Montag eine Sondersitzung ein. In einem Telefonat mit dem dänischen Außenminister Løkke Rasmussen forderte Generalsekretär Hissein Brahim Taha mit Nachdruck, das skandinavische Land müsse Maßnahmen ergreifen, um eine Wiederholung zu verhindern. Muslime verstehen die Aktionen als Hassverbrechen, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Die Männer, die am Montag in Stockholm eine Koranausgabe mit Füßen traten und in Brand setzten, waren dieselben, deren Aktion vor gut zehn Tage die schweren Proteste ausgelöst hatten. Sie hätten keine sichtbaren Unterstützer gehabt, meldete die schwedische Nachrichtenagentur TT. 

Immer wieder heftige Proteste bei islamfeindlichen Aktionen

Es ist nicht das erste Mal, dass islamfeindliche Aktionen in Skandinavien zu heftigen Protesten in der muslimischen Welt führen. 2005 lösten umstrittene Zeichnungen des Propheten Mohammed, etwa mit einer Bombe als Turban, eine gewaltsame Protestwelle mit Dutzenden Toten aus, bei der etwa dänische Botschaften angegriffen wurden. Die bildliche Darstellung Mohammeds ist in weiten Teilen der islamischen Welt ein Tabu. In Dänemark, wo vor allem der Karikaturist Kurt Westergaard im Mittelpunkt stand, folgte eine erbittert geführte Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit. 

Dieser Streit ist neu entfacht. Die Ankündigung sei ein Versuch, der Aufregung in der muslimischen Welt vorzubeugen, kommentierte der dänische Sender DR. Ziel sei, dass der Sturm nachlasse, „bevor er über unsere Köpfe hinwegfegt“. 

In Dänemark ist die Politik gespalten. Morten Messerschmidt von der rechtspopulistischen Volkspartei betonte, die Freiheit des Westens basiere auf dem Recht, eine Religion zu kritisieren und sich über sie lustig zu machen. Der Vorsitzende der Konservativen Volkspartei, Søren Pape Poulsen, warnte vor weiteren Forderungen muslimischer Staaten, wenn die Regierung beim Verbot von Koranverbrennungen nachgebe. „Dies ist nur der erste Schritt“, sagte er. Nach dem Tod des Mohammed-Zeichners im Sommer 2021 hatte die Zeitung „Jyllands-Posten“ gefordert: „Kurt Westergaards Kampf für die Meinungsfreiheit darf nicht mit ihm sterben.“ 

Nun gilt es für die Regierungen abzuwägen, was stärker wiegt. Der dänische Parlamentspräsident Søren Gade, zur Zeit des „Karikaturenstreits“ Verteidigungsminister, sagte, dänische Interessen und die Sicherheit der Dänen müssten Vorrang haben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Dänen der Gedanke nicht schlafen lässt, dass sie keine heiligen Schriften anzünden dürfen.“ 

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Indien: Die Geißel der Islamfeindlichkeit

indien

Indien: Die aktuelle hindunationalistische Politik der antimuslimischen BJP reicht in die Vergangenheit zurück. (Traversing Tradition). In einer Zeit beispielloser antimuslimischer Lynchmorde und Gewalt gegen Minderheiten in Indien erstrecken sich muslimfeindliche […]

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Für Deutschland zieht der aktuelle europäische Islamophobiebericht eine durchwachsene Bilanz

Generalverdacht

Für den Kampf gegen den Hass fordert der Islamophobiereport 2021 von der Bundesregierung, mehr für Bildung, den Kampf gegen Gewalt und die Sichtbarkeit von Minderheiten zu tun. (iz). Seit sieben […]

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NRW will islamfeindliche Straftaten erfassen. Für die Linke reicht das nicht aus

Bonn (KNA/iz). Nach der Schändung von rund 30 muslimischen Gräbern im nordrhein-westfälischen Iserlohn will die Landesregierung anti-islamische Straftaten offenbar künftig besser erfassen. „Wir wollen neben der Meldestelle Antisemitismus, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt, neue Meldestellen für anti-muslimischen Rassismus, für Antiziganismus, anti-schwarzen und anti-asiatischen Rassismus sowie für Queer-Feindlichkeit aufbauen“, sagte Integrationsstaatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert (CDU) der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ am 10. Januar.

Diese neuen Meldestellen sollen demnach in Kommunen und Vereinen eingerichtet werden, zu denen potenziell Betroffene ein besonderes Vertrauensverhältnis haben. „So bekommen wir einen genaueren Einblick und können noch zielgerichteter unterstützen“, erklärte Türkeli-Dehnert. „Es ist leider auch davon auszugehen, dass in den Statistiken über politisch motivierte Kriminalität insgesamt viele islamfeindliche Straftaten nicht erfasst werden. Betroffene bringen Übergriffe oder Sachbeschädigungen oftmals nicht zur Anzeige.“

Am 20. Januar wird sich dem Bericht zufolge der Innenausschuss des Landtags mit den Grabschändungen befassen. Nach Polizeiangaben hatten Unbekannte in der Zeit des Jahreswechsels auf dem muslimischen Teil des Hauptfriedhofs in Iserlohn rund 30 Grabsteine umgeworfen. Sie beschädigten zudem Dekorationselemente und Pflanzen. Der Staatsschutz ermittelt wegen Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung. Die Tat hatte bundesweit Empörung ausgelöst.

NRW-Linker El-Khatib findet das nicht genug

Jules El-Khatib, nordrheinwestfälischer Landessprache der LINKEN, hält den Beschluss für nicht ausreichen: „Es ist richtig, dass die Landesregierung eine Meldestelle für antimuslimischen Rassismus einrichten will, dies reicht allerdings nicht aus.“

Zusätzlich müsse die Landesregierung „endlich“ eine Beauftragte für Antirassismus benennen und eine Kommission schaffen, „die sich mit antimuslimischem Rassismus in NRW auseinandersetzt.“ Des Weiteren verlangte El-Khatib eine Studie über das Ausmaß dieses Phänomens im bevölkerungsreichsten Bundesland. Es brauche Aufschluss über die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle.

Käßmann: eine Schande

Die evangelische Theologin Margot Käßmann bezeichnete die Tat als „Schande“. Die Würde der Toten und der Trauernden werde im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten, und wer dies tue, dem fehle der Anstand, schreibt die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Kolumne in der „Bild am Sonntag“. Sie erinnerte in dem Zusammenhang auch an wiederkehrende Angriffe auf jüdische Friedhöfe in Deutschland.

„Wie wir mit unseren Toten umgehen, sagt etwas über unseren Respekt vor dem Leben“, betont Käßmann. Dass Muslime ihre Toten inzwischen in Deutschland und nicht in ihren jeweiligen Herkunftsländern bestatten ließen, sei ein „Zeichen der Beheimatung“.

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25 Jahre Tag der Offenen Moschee: Starke Vorbehalte gegen Islam

Der Tag der Offenen Moschee wird 25 Jahre alt. Bundesweit laden Moscheegemeinden wieder am 3. Oktober ein. Vorurteile und Misstrauen gegenüber dem Islam sind weiter verbreitet. Muslime sehen sich Hassbotschaften und Attacken ausgesetzt, klagen Verbände. Von Yuriko Wahl-Immel

Köln/Münster (dpa/iz). Vorbehalte gegenüber dem Islam in größeren Teilen der Gesellschaft, ein weit verbreitetes Negativbild, Angriffe auf Moscheen, auf Muslime – und mittendrin der Tag der Offenen Moschee. Schon zum 25. Mal laden die Moscheegemeinden in diesem Jahr bundesweit ein.

Bewusst am 3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, als Zeichen der Verbundenheit und Zugehörigkeit. Selbst ein Vierteljahrhundert nach Start der Initiative lassen sich die Probleme aber nicht ausblenden. Antimuslimische und rassistische Töne seien unüberhörbar geworden, sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime. „Das bekommen wir Muslime richtig ab, auch mit Hassbotschaften und Attacken.“

Der Tag der Offenen Moschee war 1997 auf Anregung des ZMD ins Leben gerufen worden. „Das Konzept, sich offen allen Fragen zu stellen und Vorurteile möglichst auszuräumen, ist in beide Richtungen aufgegangen – für die Moscheegemeinden wie auch die Besucher“, bilanziert Mazyek. Allerdings: „Es ist kein Streichelzoo. Es kommen auch Personen mit sehr festgefahrenen Vorstellungen und geballten Vorurteilen. Das können dann sehr anstrengende Gespräche werden. Aber wir sehen auch immer wieder Bewegung und das ermutigt.“

Rund 5,5 Millionen Muslime leben in Deutschland. Zugleich hält sich Skepsis gegenüber dem Islam hartnäckig, wie Studien zeigen. So nimmt etwa dem aktuellen repräsentativen „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung zufolge jeder zweite in Deutschland den Islam als Bedrohung wahr. Rund 13 Prozent wurden demnach 2019 als islamfeindlich eingestuft.

Mit Blick auf Ablehnung und hundertfache Angriffe auf Muslime und Moscheen im Jahr sieht Mazyek Rückschritte. Er hoffe, dass von einer neuen Bundesregierung „nicht nur Sonntagsreden zum Zusammenhalt kommen, sondern auch echtes Engagement für die Umsetzung von Gleichstellung und Gleichbehandlung des Islam in Deutschland.“

Seit 2007 organisieren die im Koordinationsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossenen mittlerweile sechs Islamverbände den Tag gemeinsam. Er sei „Türöffner“ und „das älteste und verbreitetste Öffentlichkeitsprojekt der Muslime in Deutschland“, unterstreicht der KRM in einem Magazin zum 25. Geburtstag. Man knüpfe Kontakte, wolle Zerrbilder korrigieren, Vertrauen schaffen

 Deutschland habe ein Problem mit Islamfeindlichkeit, zugleich spüre man aber auch ein steigendes Interesse am Islam. Dieses Jahr lautet das Motto „Moscheen gestern und heute“. Mehr als tausend Moscheegemeinden machen mit. Die bundesweite Auftaktveranstaltung findet in der Kölner Zentralmoschee der Türkisch Islamischen Union DITIB statt.

Die Christlich-Islamische Gesellschaft lobt das „niederschwellige“ Angebot. Der Moscheetag sei „ein Ankerpunkt, der es vielen Menschen ermöglicht hat, zum ersten Mal überhaupt eine Moschee zu betreten“, schildert eine Sprecherin. Kennenlernen, Begegnung und Wissenserwerb hätten eine große Bedeutung. Islam wie Christentum seien sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst.

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Von Rassismus bis zur „Gefahr für den inneren Frieden“ – „Islam“ in den Wahlprogrammen

landtagswahlen

Den Islam behandeln die Parteien in ihren Wahlprogrammen sehr verschieden. Das linke Spektrum betont den Kampf gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. Die AfD will Minarett und Muezzinruf verbieten.

Berlin (KNA/iz). Fast genau 60 Jahre vor der Bundestagswahl am 26. September begann mit dem deutsch-türkischen Anwerbeabkommen die muslimische Einwanderung. Inzwischen leben rund 5,5 Millionen Muslime in der Bundesrepublik und gehört der Umgang mit dem Islam zu den emotional aufgeladenen und politisch kontroversen Streitfragen.

Die Wahlprogramme der Parteien behandeln den Punkt entsprechend unterschiedlich. Einig sind sich alle Parteien außer der AfD aber offenbar darin, dass sie Rechtsextremismus und Hass auf Muslime für eine größere Gefahr halten als den politischen Islam und islamistischen Terror.

Die SPD, einst die klassische „Migrantenpartei“, geht auf den Islam als solchen gar nicht ein. Der Begriff kommt in ihrer Agenda nicht vor, einmal ist vom Kampf gegen Islamfeindlichkeit die Rede. Die Partei betont eine „humanitäre und solidarische Flüchtlingspolitik“ und das Vorgehen gegen Diskriminierung und populistische Hetze sowie die Verbesserung von Chancengleichheit.

Das SPD-Programm listet Hilfen und Maßnahmen auf, mit denen der Staat Migranten entgegenkommen sollte, etwa beim Familiennachzug. Erwartungen an die Integration von Muslimen nennt es nicht. Allgemein wird von „Pflichten“ gesprochen. „Dazu gehört, dass sich alle an Gesetze halten.“ Auch beim Blick auf religiösen Extremismus verzichtet die SPD auf eine Nennung des Islam. Eher vage heißt es: „Wo Religionsfreiheit missbraucht wird und in religiösen Fanatismus umschlägt, müssen staatliche Sicherheitsbehörden konsequent eingreifen.“

Auch das Programm der Union verurteilt Islamfeindlichkeit und Rassismus, nennt aber auch die andere Seite der Medaille: „Der Islamismus ist eine extremistische politische Ideologie“, heißt es dort. Die ideologische Basis der Radikalen und ausländische Geldgeber hinter Moscheegemeinden gelte es genauer in den Blick nehmen. Zur Integration erklärt sie: „Wir haben die Erwartung, dass die zu uns kommenden Menschen unsere Werte teilen, sich an unsere Gesetze halten und unsere Sprache sprechen.“ Kriminelle Parallelgesellschaften – Stichwort „Clans“ – seien ebenso zu bekämpfen wie Antisemitismus auch in migrantischen Milieus. Außerdem wollen CDU/CSU die Imamausbildung in Deutschland weiter fördern.

Dafür plädieren auch FDP und Grüne. „Langfristig geht es darum, den Bedarf der muslimischen Gemeinden an religiösem Personal durch in Deutschland ausgebildete Personen zu decken“, so das grüne Wahlprogramm. Das Ziel heißt „Einheit in Vielfalt“ und eine chancengerechte Einwanderungsgesellschaft, für die es ein eigenes Ministerium geben soll, das auch die Linke fordert. Die Grünen erklären sich „solidarisch“ mit Kritikern „von fundamentalistisch-politischen Kräften, wenn sie massiv bedroht werden“. Als einzige Partei kritisieren sie in ihrem Programm die weibliche Genitalverstümmelung, von der auch viele Musliminnen in Deutschland betroffen oder bedroht sind. Ihnen wollen die Grünen mehr staatliche Unterstützung geben.

Die Stärkung liberaler und progressiver Muslime will die FDP. Eine Forderung, die prominente Vertreter eines aufgeklärten Islam immer wieder stellen, um den Einfluss muslimischer Organisationen zu bremsen. Konkrete Ideen, wie man diese schwach organisierte Gruppe gesellschaftlich aufwerten kann, liefert die Partei nicht. Das Staatskirchenrecht will die FDP „zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln“ und einen „passenden rechtlichen Status“ für alle Religionsgemeinschaften schaffen. Es fehlt aber wie bei allen Parteien an klaren Vorstellungen, wie man den höchst heterogenen Islam in Deutschland staatsrechtlich den Kirchen angleichen könnte.

Auch die Linke wirbt eher allgemein für eine „rechtliche Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“. Die Muslime sieht die Partei vor allem als Opfer von Rassismus und Diskriminierung, spricht aber auch vom Problem des religiösen Fundamentalismus. Die Rechte muslimischer Frauen erwähnen die Linken an einer Stelle explizit, nämlich im Zusammenhang mit dem Recht, das Kopftuch zu tragen.

Die AfD behandelt den Islam, dem sie ein ganzes Kapitel widmet, erwartungsgemäß als Gefahr für den inneren Frieden und notiert: „Es ist inakzeptabel, die Kritik am Islam durch den Vorwurf der ‘Islamophobie’ oder des ‘Rassismus’ zu unterdrücken.“ Gegen Minarett, Muezzinruf und Polygamie will sie schärfer vorgehen, die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland gesetzlich verbieten. Zudem soll die staatliche Zusammenarbeit mit der aus Ankara gesteuerten Ditib beendet werden.

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Im Dickicht der Theorien

(iz). Am 21. Januar dieses Jahres beklagte die „Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus“ einen zunehmenden „anti-islamischen Rassismus“ in Deutschland. Nach Ansicht des geschäftsführenden Vorstands Micksch sei diese Entwicklung ein Nährboden für einen Rechtsextremismus, der immer gewaltbereiter werde.
Selbst ein oberflächlicher Blick auf Berichterstattung sowie Statistik legt den Schluss nahe, dass der Rassismus Teil des Alltags geworden ist. Zeugnis davon legen derzeit auch Erfahrungen einzelner Muslime ab, die mit diesem Phänomen konfrontiert sind. Sie können von verbaler „Anmache“ bis zur Ablehnung bei Wohnraum- oder Stellengesuchen reichen. Was früher, platt gesagt, „der Türke“ war, ist heute oft „der Muslim“. Die Muster von Diskriminierung sind oft die gleichen geblieben.
Es geht noch weiter: Bei einigen Muslimen ist die rasante Verbreitung zum festen Bestandteil der Kommunikation in sozialen Netzwerken geworden. Bei aller realen Erfahrung stellt sich die Frage, ob wir es mit dem berühmten „Einzelfall“ zu tun haben, oder ob diese Vorfälle stellvertretend für einen allgemeingültigen Umgang mit Muslimen zu verstehen sind. Angesichts der erodierenden Kommunikationsformen, die insbesondere das Internet produzierte, ist Zurückhaltung bei Subjektivismen geboten. Immerhin ist es die gleiche „Technik“, die der aggressiven Islamkritik selbst zu eigen ist.
Hochkarätiger Diskurs
Diese Phänomene sowie die sich radikalisierende mediale, und damit politische, Behandlung der Schlagworte „Islam“, „Muslime“ und „Migration“, sind Grund genug dafür, dass das Osnabrücker Institut für islamische Theologie zu einer mehrtägigen Fachkonferenz über das Thema lud. Vom 14. bis 16. Januar trafen sich Wissenschaftler wie Prof. Dr. Naika Foroutan, Prof. Dr. Kai Hafez, Prof. Dr. Iman Attia, Prof. Dr. Wolfgang Benz, Dr. Silvia Horsch, Dr. Fared Hafez und viele andere, um das Thema zu diskutieren. Eingeladen waren auch Vertreter muslimischer Verbände wie Dr. Zekeriya Altug, Aiman Mazyek, Burhan Kesici sowie Journalisten wie Eren Güvercin oder Daniel (?) und Aktivisten aus der muslimischen Zivilgesellschaft.
Es ist den Gastgebern gelungen, dass sie als erste auf diesem Niveau – bei Quantität und Qualität von Referenten und Diskutanten – das Phänomen behandelten. Wohl unbeabsichtigt war die Konferenz am Puls der Zeit. Inwiefern der ausgestellte Erkenntnis- und Diskussionsstand Einzug in weitere Kreise finden wird, steht auf einem anderen Blatt. So meinte Prof. Dr. Foroutan melancholisch bei der Auftaktdiskussion, dass Fakten nur eine begrenzte Reichweite hätten. Eine „schwankende Mitte“ ließe sich davon beeinflussen. Bereits in der Vergangenheit hätten Daten- und Faktensammlung auf die von Sarrazin angestoßenen Thesen wenig Auswirkungen gehabt.
Relativ einhellig
Bei den Beiträgen war von einer „Diskussion“ im Sinne gegenteiliger Positionen nicht viel zu vernehmen. Relativ einhellig bezogen Referenten und Diskutanten nicht nur Stellung zu dem behandelten Phänomen des „anti-muslimischen Rassismus“, sie ordneten es – von graduellen Unterschieden – auch ähnlich ein.
Prof. Dr. Naika Foroutan legte in ihrem Impulsreferat die Faktenbasis für die folgenden Debatten dar. Die Zuschreibungen dessen, wer ein „Deutscher“ sei, werden immer schwieriger. Vor Beginn der Fluchtbewegung seien ca. vier Millionen Menschen in Deutschland Muslime gewesen – die Hälfte davon Staatsbürger. Von den rund 1,1 Millionen Flüchtlingen, die laut BAMF 2015 hierher kamen, sei die Mehrheit Muslime. Das habe Folgen für die Gesellschaft und die betroffenen Communities. Die aktuellen Entwicklungen, namentlich die „Flüchtlingsfrage“, trieben die Debatten um eine vermeintliche „Islamisierung“ voran. So überschätze eine Mehrheit der Bevölkerung konstant den muslimischen Bevölkerungsanteil um ein Mehrfaches. Obwohl Wirtschaftsinstitute sich für Auswanderung aussprächen und die Bevölkerung selber von einer positiven Lage ausgehe, herrschten große Ängste.
Was die Einstellungen gegenüber Muslimen in diesem Land betrifft, konstatierte die Berliner Forscherin aufgrund ihrer regelmäßigen Erhebungen einen Unterschied zwischen einer kognitiven Anerkennung der Präsenz von Muslimen und ihrer Einforderung verfassungsgemäßer Rechte mit einer „emotionalen Distanz“. Sie verwies auf einen Widerspruch zwischen der Betonung der Verfassung, zu der Muslime sich zu bekennen hätten, und andererseits der stellenweisen Überzeugung, Muslime dürften sich nicht auf ihre verfassungsgemäß verbrieften Rechte (Moscheebau oder Kopftuch) berufen. Handfest äußere sich das in der Vervierfachung von Angriffen in den letzten Jahren. Die derzeitige Verrohung werde mit Argumenten und dem Verhalten von Muslimen begründet.
Ihre Erkenntnisse wurden in den folgenden Beiträgen bestätigt und theoretisch unterfüttert. Der antimuslimische Rassismus stelle den Übergang vom Biologismus der Rechten, so Hendrik Cremer, zu einem kulturalisierten Vorurteil dar. Gerade die Fixierung auf den rechten Rand sei ein Missverständnis, wie das Beispiel Sarrazin seit 2009 belege. Cremer verwies einerseits auf die bestehenden deutschen und europäischen Gesetzgebungen zur Volksverhetzung. Anstoß erzeugende Rede müsse allerdings grundsätzliche durch Gegenrede beantwortet werden. Der Forscher schränkte aber ein, dass der Staat sich, trotz des Vorwurfes eines „Meinungskartells“, nicht taktisch verhalten dürfe, da sich rassistische Diskurse wie der von Pegida derzeit „in gefährlicher Weise“ ausbreiteten. Diesen Aspekt sprach auch Naika Foroutan an. Diskurse erführen eine Verschärfung, sobald die agitierenden Gruppen den parlamentarischen Raum betreten.
Aufgrund seiner Erforschung von Vorurteilen gab Prof. Dr. Wolfgang Benz eine präzise Definition des anti-muslimischen Rassismus: „Zu definieren ist das Phänomen der Islamfeindschaft als Ressentiment gegen eine Minderheit von Bürgern beziehungsweise von in unserer Gesellschaft lebenden Menschen, die mit politischen, ethnischen und religiösen Argumenten diskriminiert und ausgegrenzt werden. (…) Gleichzeitig stärkt dies das Selbstbewusstsein der Mehrheit, die die Minderheit ausgrenzt.“
Soziologische Welten
Theoretisch – und auch ideologisch – unterfüttert werden diese nüchternen Überlegungen mit einer Rassismusforschung im globalen Stil. Und das nicht ohne Erfolg. Gerade junge Muslime fühlen sich angesprochen von einer Theoriebildung in Nachfolge Fanons oder Du Bois’, die sie irgendwo zwischen antikolonialem Befreiungskampf und der US-Bürgerrechtsbewegung um Luther King oder Malcom X einordnet.
Wie Dr. Silvia Horsch andernorts erläuterte, würden diese Rassismustheorien auch verstärkt bei Muslimen rezipiert. Die Betonung liegt hier auf der strukturellen Komponente. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Prof. Dr. Iman Attia aus Berlin oder Dr. Farid Hafez. In seinem intellektuell wie sprachlich brillantem Parforceritt durch die Theoriebildung von Fanon, Du Bois und der Universität Berkeley ordnete er den antimuslimischen Rassismus in diesen Diskurs ein. „Die Berkeley-Schule der Islamophobieforschung konzentriert sich auf Macht- und Herrschaftsstrukturen und versteht die Islamophobie als einen Ausdruck dieser ökonomischen und politischen Disparitäten, die durch einen anti-muslimisch-rassistischen Diskurs stabil gehalten und ausgeweitet werden sollen.“
Laut Hafez werde die Figur des Muslims zum „imaginierten Gegenstand“ zentral für den islamophoben Diskurs. Racial Profiling wäre nicht möglich, wenn nicht die Figur des gefährlichen Muslim vorhanden wäre. Da diese Rassismustheorie damit operiert, den Begriff „weiß“ im Sinne eines asymmetrischen Machtverhältnisses als politische Größe zu definieren (nicht als ontologische), müssen Widersprüche entstehen. Welche Position nehmen in diesem Denken die „weißen Muslime“ des Balkans und Russlands (die zahlenmäßig größte Gruppe der europäischen Muslime) oder die wachsende Gruppe der „Konvertiten“ ein? Ironischerweise entstehen hier Parallelen zu anti-muslimischen Diskursen in Europa, in denen der Islam als wesensfremd zu Kultur, Geschichte und Identität unseres Kontinents verortet wird.
Ein weiter blinder Fleck ist das Verharren in jahrzehntealten Deutungen globaler Verhältnisse. Das de facto koloniale Auftreten „neuer Mächte“ wie China, Indien oder Russland (die allesamt einen problematischen Umgang mit ihren muslimischen Minderheiten pflegen) geht hier unter. Das gleiche gilt für die neuen nichtstaatlichen Akteure wie Banken, Supra-Banken oder Investmentsfonds, die nach neuen Kriterien operieren. Funktioniert die Welt, operieren globale Mechanismen von Macht noch so, wie sich das die Theoretiker in Berkeley und anderswo vorstellen? Wenn nicht, was bedeutet es dann für ihre Gültigkeit?
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Es ist wohl davon auszugehen, dass die vorgetragenen Erkenntnisse und Theorien von der Mehrheit der Muslime mitgetragen werden. Das kann aber für religiös verfasste und praktizierende Muslime zu Widersprüchen führen. Die Rassismusforschung habe, wie es Dr. Horsch formulierte, Grenzen, weil sie den Glauben an Gott nicht miteinbezieht. „Da können wir nicht stehen bleiben.“
Religion droht hier zu einem nebulösen Faktor unter vielen zu werden – eine „Markierung“ für den imaginären Muslim; neben Herkunft, Ethnie und Kultur. Denn dieser Gegenstand bleibt genauso wenig real, wie er es im Auge seines vermeintlichen Feindes ist. In beiden Welten kann er nicht der oberfränkische Gutbesitzer mit Biolandwirtschaft sein oder die erfolgreiche Ärztin, die ohne Diskriminierungserfahrung oder Identitätsprobleme durchs Leben schreiten.
Obwohl das Institut für Islamische Theologie einladende Institution war, fehlten hier Beiträge, die sich dem Thema antimuslimischer Rassismus von einer theologischen Warte aus näherten. Es bleibt offen, ob sich das von Kenan Kolat geforderte „Empowerment“ ereignen kann, wenn grundlegende Aspekte des Muslimseins ausgeblendet bleiben. Ironischerweise führt dieser säkular-fatalistische Diskurs bisher nicht zu Aktivität. In den letzten zehn Jahren haben muslimische Organisationen bisher keine großen Schritte in Richtung funktionierender Lobbyorganisationen unternommen.
Dr. Silvia Horsch eröffnet in ihrem Vortrag „Eine spirituelle Sicht auf antimuslimischen Rassismus“ eine andere Perspektive. Weil die Rassismusforschung dank ihrer Ausblendung Gottes Grenzen habe, müssten Muslime über sie hinausgehen. Muslime leben in der Anerkennung der Allmacht Gottes. Sie wissen, dass nichts geschieht, was Er nicht will. Und nichts, was geschieht, ist sinnlos. Muslime hätten immer schon über ihre Verhältnisse reflektiert. Aber man dürfte nicht unzufrieden sein mit der Tatsache, dass Allah alle Dinge bestimmt. Muslime müssten sich die Frage stellen, warum sie dieserart auf Diskriminierungen und Vorfälle reagierten. Sind wir wütend, weil Allah und Sein Gesandter verleumdet werden, oder weil wir uns angegriffen fühlen? Der Gesandte Allahs habe, so Horsch, die höchste Möglichkeit aufgezeigt, wie mit solchen Situationen umzugehen ist.
Der bisherige Umgang mit Diskriminierungen berge Gefahren. In ihrem Bemühen um Anerkennung richteten sich Muslime nach Parametern, die die Gesellschaft vorgebe. Natürlich solle man nach gesellschaftlichem Einfluss streben, aber hier sei die Absicht entscheidend. Eine zweite Gefahr bestünde in Äußerlichkeiten. Weil auch äußerliche Elemente der muslimischen Lebensweise, allen voran das Kopftuch, im antimuslimischen Rassismus negativ markiert seien, würden Muslime sie positiv aufladen. Dann werde das Kopftuch zu einem Symbol für Reinheit, Frömmigkeit und Identität. Drittens, seien Muslime gefährdet, passiv und reaktiv zu werden. Eine Opferhaltung habe auch die Funktion, die von Ressentiment Betroffenen moralisch aufzuwerten. Nur, die Tatsache, dass einem Ungerechtigkeit widerfahre, mache einen noch nicht zu einem bessern Menschen.
Eine weitere, tiefere Differenz zur Rassismusforschung sei deren Fehlen einer metaphysischen Dimension. Diese gehe davon aus, dass die Betroffenen nichts mit Vorurteilen zu tun hätten. Wir müssten uns aber die Frage stellen: Warum sind wir in dieser Lage und warum passieren uns diese Dinge?
Laut der muslimischen Lehre können Probleme wie antimuslimischer Rassismus auf mindestens zwei Arten verstanden werden: Negativität ist eine Prüfung. Das sei keine Aufforderung zur Passivität. „Denn wir haben Dinge zu verantworten, die wir ändern können.“ Es kann aber auch Reinigung beziehungsweise Sühne sein. Es könne sein, dass Allah uns durch solche Erfahrungen reinigen wolle.
Will die muslimische Community im Hinblick auf den gegen sie gerichteten Rassismus nicht nur passiv bleiben, muss sie sich nicht nur in Diskurse einbringen wie den, der in Osnabrück so hochkarätig geführt wurde. Sie kommt nicht darum umhin, eigenständige Positionen und Perspektiven zu entwickeln. Das erwähnte Empowerment kann nur aus einer aktiven Haltung erwachsen.

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„Wir leben in radikalen Zeiten“

Die Ausländerfeindlichkeit der 1980er Jahre hat sich in eine antimuslimische Grundhaltung gewandelt, kritisieren Muslime. Über Gründe und Auswege diskutierten Experten in Osnabrück. (iz). Passender hätte der Zeitpunkt nicht gewählt werden […]

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Übergriffe nicht hinnehmbar

Washington (KNA). Bei seinem ersten Besuch einer Moschee in den USA hat Präsident Barack Obama Muslime als Teil der „amerikanischen Familie“ bezeichnet. In seiner Rede vor der „Islamic Society of Baltimore“ setzte er sich mit Nachdruck für Religionsfreiheit ein. Drohungen gegen muslimische Gemeinden, Übergriffe gegen Kopftuch tragende Frauen oder muslimische Schulkinder und Beschädigungen von Moscheen seien nicht hinnehmbar.
Muslime seien „ein Teil Amerikas“, sagte Obama. Sie seien nicht „Muslime oder Amerikaner, sondern Muslime und Amerikaner“. An die christliche Mehrheit gewandt sagte der Präsident: „Wir müssen begreifen, dass ein Angriff auf eine Religion ein Angriff auf alle unsere Religionen ist.“ Dies sei zu bedenken, wenn die Gesellschaft es mit der Religionsfreiheit ernst nehme.
Pluralität sei keine Schwäche, sondern die größte Stärke der USA. „Entweder wir steigen zusammen auf oder wir stürzen zusammen ab“, sagte Obama. Ohne ausdrücklich auf den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und seine Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime einzugehen, sagte Obama, jede Politik sei zurückzuweisen, die versuche, „Vorurteile oder Stimmungen zu manipulieren, um Leute wegen ihrer Religion anzugreifen“.
Heiterkeit erntete Obama mit der Bemerkung, schon Gegner des US-amerikanischen Gründervaters Thomas Jefferson (1743-1826) hätten diesen als Muslim zu diskreditieren versucht. „Ich bin also nicht der erste“, sagte Obama unter Anspielung auf entsprechende Gerüchte über seine Person. „Ich bin in guter Gesellschaft.“
Die einzigen beiden muslimischen Kongress-Abgeordneten lobten die Rede des Präsidenten. Innerhalb von acht Tagen wandte sich Obama in Reden an Juden, Muslime und Christen in seinem Land: Vergangene Woche bekundete er anlässlich des Holocaust-Gedenktags in der israelischen Botschaft in Washington Verbundenheit mit dem jüdischen Volk. Am Donnerstag das christlich geprägte „National Prayer Breakfast“ auf dem Programm. In den USA sind etwa ein Prozent der Bevölkerung Muslime.