,

Dauerhaft stressfrei leben

Ausgabe 323

Foto: Flamingo Images, Adobe Stock

(iz). Laut einer vor wenigen Jahren erhobenen Studie des Robert-Koch-Instituts klagen 13,9 Prozent der Frauen und 8,2 Prozent der Männer über chronischen Stress. Wer regelmäßig an starken Stressbelastungen leidet, spürt nicht nur eine zunehmend größer werdende Anstrengung im Alltag, sondern riskiert auch gesundheitliche Konsequenzen. Doch was ist überhaupt chronischer Stress und welche Anzeichen sollte man kennen, um sich besser zu schützen? Von Muharrem Ünlü

In seiner allgemeinsten Definition kann chronischer Stress als eine regelmäßig wiederkehrende Belastungssituation beschrieben werden. Ist man einmal in eine chronische Stressphase hineingeraten, besteht die größte Gefahr, dass der Stress körperlich und mental zur Gewohnheit wird. Das alltägliche Erleben und Verhalten reduzieren sich immer weiter auf die Stress verursachende Problematik. In diesem Modus wird die Stressempfindung regelrecht einverleibt. Die Biochemie und das Nervensystem unseres Körpers stellen sich auf Stressabwehr ein und verbleiben in diesem Reaktionsmuster, sofern sich an den Lebensumständen nichts verändert. Langfristig kann die permanente Aktiviertheit der körperlichen Stressabwehr allerdings zu Folgeerkrankungen führen.

Laut der Global Burden of Disease Studie aus dem Jahr 2015 zählen ein hoher Blutdruck, Rauchen, hoher Body-Mass-Index, hohe Blutzuckerwerte, hohe Blutfettwerte und riskanter Alkoholkonsum zu den sechs größten Gesundheitsrisiken in Deutschland. All diese Risiken müssen zwar nicht zwangsläufig, können aber sehr stark mit chronischem Stress zusammenhängen. Daher sollten Stressbewältigung und das Bemühen um die mentale Gesundheit nicht bloß als Randthema betrachtet werden. Vielmehr ist sie ein wesentlicher Motor für die nachhaltige Aufrechterhaltung des eigenen Wohlbefindens.

Worauf sollte man achten, um frühzeitig gegenlenken zu können?

Im Wesentlichen gibt es vier Ebenen, auf denen sich chronischer Stress bemerkbar machen kann. Die Reihenfolge dabei entspricht keiner natürlichen Rangordnung. Welche Ebene in welcher Form zur Geltung kommt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Je mehr man die Selbstbeobachtung auf diesen Ebenen übt, umso besser wird man darin. Dies wiederum wird die persönliche Fähigkeit stärken, gut funktionierende Antennen gegen chronischen Stress zu entwickeln. Dies ist nicht nur für einen selbst von Vorteil, sondern auch für Personen des Umfelds. Denn die Antennen, die bei einem selbst gut funktionieren, können auch dabei helfen, andere Menschen auf eine Stressproblematik aufmerksam zu machen, die sie selbst gerade nicht erkennen können.

Die Gedanken sind die erste Ebene, auf denen sich chronischer Stress zeigen kann. In stressigen Lebensphasen tritt das Grübeln zum Vorschein. Betroffene leiden gerade beim Zu-Bett-Gehen oft darunter, da es nicht selten den Schlaf beeinträchtigt und damit die nächtliche Erholung und das Krafttanken für den nächsten Tag negativ beeinflusst. Dies kann dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit am Tag abnimmt. In der Folge kann daraus zusätzlicher Symptomstress resultieren, also zusätzlicher Stress auf Basis des ursprünglichen Stressanzeichens.

Emotionen sind eine weitere Ebene, auf denen sich chronischer Stress bemerkbar machen kann. Wenn wir Emotionen als Farben begreifen, ist ein chronisch nicht  gestresstes Gehirn in der Lage, alle Spektren gleichermaßen abzubilden. Durch chronischen Stress und den zunehmend ausschließlichen Fokus auf z.B. Leistungsverhalten wird dem Gehirn die Fähigkeit abtrainiert, alle Farben abbilden zu können. Das vormals viel buntere Gehirn reduziert sich immer weiter auf einige wenige Farben. Im schlimmsten Fall erkennt es nur noch die Farbe Schwarz. An diesem Punkt befindet man sich an der Schwelle zu einer Depression.

Die nächste Ebene ist das Verhalten. Für gewöhnlich neigen die meisten Menschen instinktiv dazu, den Stress ausgleichen zu wollen. Entweder aus Mangel an ausreichender Zeit oder alternativen Handlungen kann es dabei dazu kommen, dass als Strategie gegen den Stress Betäubungsverhalten verfolgt wird. Das kann sich dann in Form von Suchtmittelkonsum ausdrücken. Es kann sich aber auch in alltäglicheren Dingen zeigen, die in moderatem Ausmaß vielleicht sogar eine gute Strategie zum Ausgleichen wären, wie das Smartphone-Gaming oder der Konsum von Filmen und Serien. Werden diese Aktivitäten allerdings exzessiv betrieben, sodass sie zur ausschließlichen Freizeitbeschäftigung werden oder andere Lebensbereiche beeinflussen, kann auch dies ein Hinweis auf chronischen Stress sein.

Abschließend ist der Körper die letzte Ebene. Chronischer Stress kann ab einem gewissen Zeitpunkt zu unterschiedlichen körperlichen Reaktionen führen. In der Folge wird nicht selten der Hausarzt hinzugezogen. Dieser kann dann entweder keine körperliche Ursache für die Beschwerde vorfinden. Oder aber es wird zunächst lediglich das Symptom behandelt, bis nach einer längeren Odyssee ein Bezug zur Stressbelastung erkannt wird.

Die weiter oben bereits erwähnten Gesundheitsrisiken können hierzu als beispielhafte Symptome dienen. Jedoch sind diffusere Beschwerden wie ein Engegefühl in der Brust, ein Druckgefühl im Kopf oder Zähneknirschen während des Schlafs ebenfalls möglich. Nicht unwahrscheinlich sind auch Panikattacken, sofern der chronische Stress unberücksichtigt bleibt und in manchen Fällen zu Angstzuständen führt.

Dieser Artikel wurde geschrieben von Muharrem Ünlü, B.Sc. Psych. Der Autor ist spezialisiert auf das Thema Stressbewältigung und mentales Wohlbefinden bei Führungskräften, Selbstständigen und Unternehmern. Bei Bedarf kann er über seine Webseite kontaktiert werden.