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„Ehrensache“ – Neues Buch über den Kampf gegen Antisemitismus

Foto: Pascal Bruns, Burak-Yilmaz.de

Er ist Jahrgang 1987. Burak Yilmaz, Sohn türkisch-kurdischer Eltern aus Duisburg, hat schon in jungen Jahren damit angefangen, sich gegen Judenhass einzusetzen. Teilweise mit überraschenden Mitteln.

Bonn (KNA). Mit jungen Muslimen nach Auschwitz – dieses ungewöhnliche Projekt hat Burak Yilmaz bekannt gemacht. Wegen seines Einsatzes gegen Antisemitismus hat ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundesverdienstorden verliehen. Nun hat der Pädagoge, Jahrgang 1987, ein Buch über sein Aufwachsen in Duisburg und seine bisherige Arbeit geschrieben. Es heißt „Ehrensache. Kämpfen gegen Judenhass“, ist äußerst lesenswert und dürfte sich gerade auch für Schüler und junge Erwachsene lohnen.

Denn Yilmaz blickt nicht nur selbst als Sohn türkisch-kurdischer Eltern auf Politik und Gesellschaft. Er lässt auch Jugendliche zu Wort kommen, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind. Einige ihrer Äußerungen und Haltungen sind erschreckend, etwa wenn es um Antisemitismus und Verschwörungsmythen geht. Andere wiederum nachdenkenswert und überraschend, weil so vielleicht noch nicht gehört – nicht zuletzt halten sie der Mehrheitsgesellschaft einen Spiegel vor, etwa bei Themen wie Erinnerungskultur und Integration. Dieser Wechsel der Perspektiven ist gewinnbringend.

Yilmaz erscheint als jemand, der zuhört. Und offenbar immer bereit ist zu einer wachen Diskussion – auch, wenn es um absurd klingende Verschwörungserzählungen und abstoßenden Judenhass geht. Dagegen geht Yilmaz mit fundiertem Wissen an oder eben Fahrten in die Gedenkstätte Auschwitz, um all dem das vermeintliche Fundament zu entziehen. Und er setzt klare Grenzen, wenn jemand Menschen verachtet.

Diese Grenzen werden in einer Szene aus dem Jahr 2009 deutlich, die offenbar der Schlüsselmoment für Yilmaz’ künftige Tätigkeit war: Er arbeitet in einem Jugendzentrum, als vier Jugendliche die Tür auftreten, den rechten Arm heben und „Heil Hitler“ schreien. Yilmaz beschreibt, wie er sie rauswirft. Die Jugendlichen lachen, laufen weg, und einer ruft: „Wir sind Antisemiten. Daran kannst du nichts ändern.“

In der Folge schreitet Yilmaz zur Tat: Gesprächskreise, die erste Fahrt nach Auschwitz 2012, das daraus folgende Projekt „Junge Muslime in Auschwitz“, die Theatergruppe „Die Blickwandler“. Der Pädagoge schreibt: „Hass abbauen und Begegnungen schaffen ist zu meiner Arbeit geworden, und meiner Überzeugung.“ Und: „Judenhass ist kein Monster, das mich klein und hilflos werden lässt.“

Zugleich schildert Yilmaz, wie er manchmal verunsichert ist und mitunter gegen Widerstände von muslimischen Eltern zu kämpfen hat, wenn er mit deren Söhnen nach Auschwitz reist – und möglicherweise dort auf den „Erzfeind“, also Juden beziehungsweise Israelis, trifft. Und vielleicht sogar mit ihnen spricht. Denn das kommt, so Yilmaz, durchaus vor. Da wittert manch einer „Verrat“. Anschaulich berichtet Yilmaz, welch widerstreitende Emotionen und hitzigen Gespräche solche Begegnungen bei mitreisenden Muslimen, die etwa einen palästinensischen Hintergrund haben, auslösen können.

Der Autor selbst hat einen schwierigen Weg hinter sich: Seine Eltern mussten für seine Gymnasialempfehlung kämpfen, obwohl er sehr gute Noten hatte; dann katholisches Gymnasium, Koranschule, Universität; Hin- und Hergerissensein nach den Anschlägen vom 11. September; Auftritt auf internationalen Konferenzen; Bundesverdienstorden. Darüber schreibt Yilmaz mal flott, mal nachdenklich.

Yilmaz hat Forderungen – etwa an den Schulunterricht, der alle ansprechen und unterschiedliche Zugänge zur Geschichte berücksichtigen müsse. Schüler sollten sich mit der NS-Zeit in ihrer jeweiligen Stadt auseinandersetzen, und Schulbücher jüdisches Leben auch vor und nach der Schoah abbilden. Mit Blick auf den Islam wirbt er für eine theologische Auslegung, „die nicht davon handelt, wie ein Roboter Befehle von Gott auszuführen, sondern ins Gespräch mit ihm zu gehen, zu streiten, auch mal anderer Meinung sein zu dürfen“.

Apropos Gespräch: Auch die Menschen untereinander sollten sich über ihre jeweiligen Kreise hinweg austauschen – ob auf einer Fahrt ins ehemalige KZ Auschwitz oder im eigenen Stadtteil, betont Yilmaz. Für die Gesellschaft wünscht er sich eine Trennlinie nicht mehr zwischen Mehrheit und Minderheit, sondern zwischen denen, die für Demokratie eintreten, und denen, die sie bekämpfen.

Burak Yilmaz: „Ehrensache. Kämpfen gegen Judenhass“, Suhrkamp, 229 Seiten, 16,95 Euro, ISBN: 978-3-518-47171-5