,

In Burkina Faso spielt sich eine schwere Krise ab

Foto: sharafmaksumov, Adobe Stock

In Burkina Faso steigen die Zahlen jener, die aus Angst vor Gewalt ihre Häuser verlassen müssen, stetig weiter. Für die Vertriebenen ist jeder Tag ein Überlebenskampf. Spenden helfen, doch nur kurzzeitig.

Ouahigouya/Ouagadougou (KNA). Inusa Mathias Nyampa sind nur ein paar alte, vergilbte Fotos geblieben, die an sein früheres Leben in Toulfe erinnern. In dem Ort, der im Norden von Burkina Faso zwischen den Städten Djibo und Ouahigouya liegt, hielt er Enten und Hühner, arbeitete als Bauer und sicherte so das Auskommen für seine Familie. Seit 2018 leben er, die beiden Frauen und die drei Kinder als Vertriebene in Ouahigouya. Grund dafür ist der Terror, den die Familie in Toulfe erleben musste. „Es war die Feier am Ende des Ramadans. Damals sind Bewaffnete in unser Dorf gekommen und hatten Gewehre.“ Es war nur der Beginn einer Serie von Angriffen. Beim dritten Mal war die Angst so groß, dass die Familie sich auch in der nächstgelegenen Stadt – Titao – nicht mehr sicher fühlte und umgehend weiter nach Ouahigouya ging.

In Burkina Faso läuft die Flucht häufig so ab. Nach Angriffen retten sich Menschen zunächst in andere Dörfer, Kleinstädte und schließlich in Provinzhauptstädte. Nach Regierungsangaben sind aktuell mehr als 1,4 Millionen Personen Vertriebene. Besonders betroffen ist der Norden. Mittlerweile gebe es aber auch Binnenvertriebene im Südwesten, sagt Abdouraouf Gnon-Konde, Repräsentant des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR. Das zeige, dass die Krise längst nicht mehr nur eine Region betreffe. Zudem gebe es zwischen 41.000 und 50.000 burkinische Flüchtlinge in den Nachbarländern. Allerdings sind nicht alle Menschen dort als Geflüchtete registriert.

Es ist nicht eindeutig, wer hinter den Angriffen steckt. „Wir wissen wirklich nicht, warum es passiert. Sie kommen, morden und zerstören. Sie nennen keinen Grund für ihre Taten“, sagt Inusa Mathias Nyampa. In der Region operiert JNIM aus Mali, die Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime. Vereinzelt ist es zu Angriffen auf Kirchen wie der in Toulfe gekommen. Im Mai 2019 wurden während eines Gottesdienstes in der katholischen Kirche vier Menschen ermordet. Umgebracht werden aber auch Imame und Dorfvorsteher. Die Gewalt mache vor keiner Religion halt, sagt Nyampa.

In Gegenden, in denen staatliche Sicherheitskräfte die Bewohner nicht vor Terror schützen, kann auch das organisierte Verbrechen leicht operieren. Unter anderem werden Drogen geschmuggelt. Mit Überfällen auf Dörfer wird Geld gemacht. Nyampa schaut auf seine Fotos und auf das, was er verloren hat. „Ich hatte über tausend Hühner und Perlhühner. Bei einem Überfall haben sie alle geraubt, und kein einziges ist mir geblieben. Sie stehlen auch Vieh.“

Um adäquat auf die Flüchtlingskrise zu reagieren, seien für 2021 rund 602 Millionen US-Dollar nötig, so Gnon-Konde. Finanziert ist aktuell aber erst ein gutes Viertel. Private Initiativen sind deshalb wichtig. Um zumindest ein Dach über dem Kopf zu haben, hat eine Frau aus Ouahigouya den Nyampas ein kleines Haus mit Hof zur Verfügung gestellt. Sie versorgen dafür ihre Hühner. Andere Binnenvertriebene haben kleine Flächen erhalten, auf denen sie Getreide anbauen können. Um zu überleben, sind sie allerdings von Spenden abhängig.

Alles, was Rasmata Ouedraogo, ihrem Mann und den beiden Töchtern noch geblieben ist, hat auf 16 Quadratmetern Platz. Die 25-Jährige, die aus Kongoussi in die Hauptstadt Ouagadougou geflohen ist, hat einen starren Blick. Seit April lebt sie in einer Notunterkunft, die durch eine private Initiative und Spenden entstand. Es gibt eine Wellblechtür, keine Fenster, die Wände sind undicht. Trotzdem sagt sie: „Hier geht es uns ein bisschen besser als in Kongoussi.“ Was dort genau vorgefallen ist und was sie bei ihrer Flucht erlebt hat, darüber kann Rasmata Ouedraogo noch nicht sprechen.

Nun kommt die Familie zwar etwas zur Ruhe. Doch der Alltag bleibt ein Überlebenskampf. Er ist ständig von der Sorge bestimmt, nicht genügend Essen für die Kinder zu haben. Die Unterstützung, die es manchmal gebe, reiche nicht aus. Rasmata Ouedraogo hat deshalb einen Wunsch: „Mir würde es helfen, eine Arbeit zu finden.“ Das ist schwierig. Schon vor der Flüchtlingskrise schätzte die Weltbank, dass mehr als 40 Prozent der Bürger Burkina Fasos in Armut leben. Laut dem Amt der Vereinten Nationen zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten OCHA sind derzeit 3,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen; 2,86 Millionen erleben eine Ernährungskrise.