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Feminismus und Islam – geht das zusammen?

Pressebild: Junge Islam Konferenz, InkaRecke | flickr

Berlin (dpa). Das „Islam-Bashing“ der Alternative für Deutschland (AfD) ärgert viele Muslime in Deutschland. Die Feministinnen unter ihnen empfinden die Verbalattacken der Rechtspopulisten als doppelt störend. Sie sagen: Die AfD behindert mit ihren ständigen Angriffen auf unsere Religion die innermuslimische Debatte über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Aktivistinnen in Verbänden und Gemeinden würden inzwischen häufig mit dem Argument mundtot gemacht, ihre Kritik nutze der AfD.
„Die religions- und islamkritische öffentliche Atmosphäre in Deutschland erschwert es muslimischen Feministinnen, eine echte Patriarchatskritik nach innen zu formulieren“, klagt die Islamwissenschaftlerin Nimet Seker. Sie sagt: Wer Sexismus und Frauenfeindlichkeit thematisiere, gelte in dem aktuellen aufgeheizten Klima, in dem Frauen mit Kopftuch ausgegrenzt würden, „schnell als Verräter“.
Der Forscherin von der Universität Frankfurt es gehe ihr auf die Nerven, „dass sich in Debatten über den Islam in Deutschland „immer alles direkt oder indirekt um den Körper der muslimischen Frau“ drehe – und den Grad seiner Verhüllung. Einer Frau, die das Kopftuch ablege, werde von anderen Muslime oft unterstellt, sie habe sich vom Glauben abgewandt. Die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft gehe automatisch davon aus, diese Frau habe sich von einem „rückständischen Islam“ befreit.
Reyhan Sahin von der Universität Hamburg hat sich in ihrer Forschung mit der „Bedeutung des muslimischen Kopftuchs“ und der „religiösen Selbstdarstellung junger Musliminnen in sozialen Netzwerken“ befasst. Dabei stellte sie fest, dass das Kopftuch einigen Frauen als „Gruppenidentifikationsmerkmal“ diene, anderen als Mittel der „Selbstdisziplinierung“. Gerade bei jüngeren Frauen sei die Kopfbedeckung nur selten als „Unterwerfungsgeste an patriarchalisch-muslimische Strukturen“ zu verstehen. In Kombination mit auffällig modischer Kleidung könne es auch ein „muslimisch-feministisches Rebellionszeichen“ sein.
Sahin kritisiert nichtmuslimische deutsche Feministinnen, die unter jedem Kopftuch eine unterdrückte Frau vermuten. Doch sie hält auch dagegen, wenn konservative Muslime leugnen, dass diese Frage überhaupt eine politische Dimension haben kann. Sahin erklärt: „Die Debatte wurde so geführt, dass das Kopftuch nur entpolitisiert wurde, schöngeredet wurde, dass diese verschiedenen Bedeutungsvarianten gar nicht richtig ausdifferenziert wurden.“ Bei einer Veranstaltung der Jungen Islam Konferenz in Berlin fragte Sahin kürzlich anklagend: „Bietet das keine Vorlage für Rechtspopulismus?“ Sahin ärgert sich auch über die „patriarchalischen Strukturen“ der deutschen Islam-Verbände.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, will sich diesen Schuh nicht anziehen. Er sagt, für ihn sei der Begriff Feminismus positiv besetzt. Für die Frauen, die in den muslimischen Verbänden aktiv seien, gelte: „Gemessen an dem, was die Feministinnen als Ziele ausgeben, gehören sie mit zur Spitze.“ Dass ein Teil der deutschen Feministinnen das Kopftuch ausschließlich als „Zeichen der Unterwerfung“ interpretiere, sei zwar bedauerlich. Seine wichtigsten Gegenspieler sieht Mazyek aber woanders. Er sagt: „Die härtesten Gegner sind diejenigen, die auf Basis des Islamhasses eine andere Republik schaffen wollen.“
Wie sich die AfD die „Befreiung“ der muslimischen Frau vorstellt, hat im Bundestagswahlkampf das Neu-Parteimitglied Leyla Bilge vorgeführt. Bei Veranstaltungen mit Spitzenkandidat Alexander Gauland und anderen AfD-lern lieferte die Deutsche mit kurdischen Wurzeln eine schrille Performance: Mit langem Gewand und schwarzem Gesichtsschleier kommt sie auf die Bühne. Dann entschleiert sie sich. Zum Schluss steht sie in einem engen schwarz-rot-goldenen Kleid da.
Auch bei einer Kundgebung des islamfeindlichen Pegida-Bündnisses in Dresden hat Bilge ihren Schleier-Trick schon vollführt – und wurde dafür begeistert gefeiert.