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Frankreichs Wahlkampf in Kriegszeiten: Kaum Platz für andere Themen

Foto: Elysée-Palast, Französisches Präsidialamt

Im französischen Präsidentschaftswahlkampf dominieren lange die rechten Stimmen. Dann überschattet der Krieg in der Ukraine alles. Profitieren kann davon einer, der offiziell erst spät in das Rennen eingestiegen ist. Von Michael Evers und Rachel Boßmeyer

Paris (dpa). Rund einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich wirbelt der Ukraine-Krieg die Agenda durcheinander und lässt die Bewerberinnen und Bewerber neben Emmanuel Macron fast wie Zaungäste des als Krisendiplomat und Staatsmann agierenden Präsidenten aussehen. Dabei zeichnete sich zunächst ein Wahlkampf der Gegensätze und Brüche in dem von der Corona-Krise erschöpften Land ab, in dem klassische Parteien an Bedeutung verlieren und kaum ein Lager auf eine Stammwählerschaft zählen kann. Nun beschert der russische Angriffskrieg Macron einen Umfrageschub – und das obwohl er offiziell erst vor einigen Tagen in den Wahlkampf eintrat.

Gegenüber dem Pro-Europäer und Mitte-Politiker im Élyséepalast hatte bisher das rechte Lager den Wahlkampf mit seinen Themen dominiert und die anderen damit vor sich hergetrieben: Innere Sicherheit, Migration sowie nationale Identität und Souveränität stehen für die rechte Marine Le Pen vom Rassemblement National und den rechtsextremen Éric Zemmour oben auf der Agenda. Insbesondere Zemmour hat mit Ausfällen gegen Zuwanderer und Muslime einen Spalt zwischen Bevölkerungsgruppen zu treiben versucht. Doch seine radikalen Forderungen finden Anklang.

Auch Valérie Pécresse, die für die konservativen Républicains antritt, bedient diese Themen – wenn auch weniger extrem – bei ihrem schwierigen Spagat, sowohl Anhänger des rechten Lagers als auch von Macron umworbene Wählerschichten in der Mitte anzusprechen.

Der zersplitternden Linken und auch den Grünen gelang es bisher nicht, Schwerpunkte in diesem Wahlkampf zu setzen, in dem so richtig niemand brillieren mag. Mit wenigen Prozent komplett abgeschlagen in den Umfragen rangiert die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Kandidatin der Sozialisten, die mit François Hollande noch in der letzten Legislaturperiode von 2012 bis 2017 den Präsidenten stellten. Aussichtsreicher ist da noch die deutlich weiter links stehende Galionsfigur Jean-Luc Mélenchon, die einen politischen Neustart mit grundlegenden Veränderungen des Systems verlangt.

Die in der Ukraine-Krise geeint handelnde EU gibt Macron nun verstärkt durch den französischen EU-Ratsvorsitz Rückenwind und ist kaum Werbung für den Ruf von rechts nach Souveränität gegenüber Brüssel und nationalen Alleingängen. Zugleich müssen sich Le Pen und Zemmour, aber auch Mélenchon, wegen einer als zu wohlwollend kritisierten Haltung gegenüber Kremlchef Wladimir Putin erklären. Die weitere Schwächung der Konkurrenz nützt Macron. Denn er punktet vor allem damit, dass seine Widersacher noch weniger überzeugen als er. Wirklich zufrieden war die Mehrheit der Franzosen mit seiner Amtszeit nämlich nicht.

Angesichts des nun alles überschattenden Kriegsthemas wurde in Frankreich die Sorge laut, es drohe ein Wahlkampf ohne Debatte. Premierminister Jean Castex versuchte, die Gemüter zu besänftigen. Der Wahlkampf werde so normal wie möglich ablaufen.

Bis zur Krise um die Ukraine war in Frankreich nicht wie im deutschen Wahlkampf das Klima, sondern die Kaufkraft das beherrschende Wahlkampfthema – und könnte wegen der mit Sanktionen gegen Russland drohenden Probleme auch nun zentral bleiben. „Unser Wachstum wird unweigerlich beeinträchtigt werden. Die Verteuerung von Öl, Gas und Rohstoffen hat und wird sich auf unsere Kaufkraft auswirken“, mahnte Macron – und verkündete zugleich, Premier Castex erarbeite schon Gegenmaßnahmen.

Wie wichtig das Thema ist, hatten Macron ab 2018 die auch gegen steigende Tank- und Lebenshaltungskosten gerichteten Gelbwestenproteste gelehrt, die die soziale Spaltung des Landes und deren Sprengkraft offenlegten. Als „Präsident der Reichen“ hatten Gegner Macron oft kritisiert. Der angeblich von ihm bevorzugten und privilegierten Bevölkerungsschicht stehen die in Vielzahl migrantischen Einwohner der Vorstädte mit weniger Bildungs- und Aufstiegschancen gegenüber. Experten kritisieren teils, dass Macron gar nicht erst versucht habe, das seit Jahren tief gespaltene Land zusammenzuführen und gegen Ungleichheiten vorzugehen.

Alle einte zuletzt die Erschöpfung nach der Corona-Krise. Und obwohl die Pandemie selbst nur eine untergeordnete Rolle im Wahlkampf spielt, bewegt der Bereich Gesundheitsversorgung die Wählerschaft.

Ein Thema, das Parteien und Kandidaten seit Monaten umtreibt, ist die Wahlbeteiligung. Mit Kampagnen wurde daran erinnert, sich ins richtige Wahlregister eintragen zu lassen, um an der Abstimmung teilnehmen zu können. Es wurde versucht, gerade junge Menschen zu motivieren. Bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr rutschte die Wahlbeteiligung auf einen Tiefstwert. Eine niedrige Beteiligung wäre auch nun eine Schlappe für viele, hatte traditionell doch zumeist ein großer Anteil der Bevölkerung seine Stimme abgeben. Entscheidend dürfte also sein, wer seine Anhängerschaft für die erste Runde am 10. und die Stichwahl am 24. April mobilisieren kann.