, , ,

Haftbefehle: Anträge sorgen für Empörung auf beiden Seiten

chefankläger istgh haftbefehl
Foto: UN/ICTY, via flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Nach vorläufigen Ermittlungen zum Kriegsgeschehen in Nahost will Den Haags Chefankläger nicht Haftbefehle gegen die Hamas – sondern auch gegen den israelischen Regierungschef.

Den Haag (KNA, dpa, iz). Vor dem Hintergrund des anhaltenden Nahostkrieges hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, mehrere Haftbefehle beantragt. Sie richten sich gegen die Spitzen der Hamas sowie gegen Mitglieder der israelischen Regierung. Beide Kriegsparteien reagierten am Montag empört auf die Nachricht aus Den Haag.

Weder die USA noch Israel erkennen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) an. Die palästinensischen Gebiete aber sind Vertragsstaat. Daher darf der Chefankläger Karim Khan auch ermitteln.

Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle selbst zu vollstrecken. Jedoch ist die Bewegungsfreiheit der Gesuchten dadurch erheblich eingeschränkt – denn alle Vertragsstaaten des Gerichts sind verpflichtet, Beschuldigte mit offenen Haftbefehlen festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, sobald sie sich in ihrem Land befinden.

Haftbefehl

Grafik: IZ Medien (links WEF, rechts Fars Media)

Anzeige:

Anträge betreffen israelische Spitzenpolitiker und drei Führer von Hamas

Auf israelischer Seite sind Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Verteidigungsminister Joaw Galant betroffen. Beiden wird vorgeworfen, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Den Angaben zufolge geht es unter anderem um gezieltes Aushungern der Palästinenser im Gazastreifen sowie Angriffe auf die dortige Zivilbevölkerung.

Gegen die Führungsspitze der palästinensischen Terrorgruppe Hamas wurden ebenfalls Haftbefehle beantragt – gegen die Anführer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh. Sie werden wegen Ausrottung, Geiselnahme, Vergewaltigung und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenhang mit den Terrorangriffen vom 7. Oktober gesucht.

Tel Aviv spricht von „historischer Schande“…

Israels Außenminister Israel Katz bezeichnete die Entscheidung des Anklägers, gegen Netanjahu und Galant vorzugehen, als skandalös. Die beiden demokratisch gewählten Politiker würden so auf eine Stufe gestellt mit „Mördern und Vergewaltigern der Hamas“.

Dies sei eine „historische Schande“, die für immer in Erinnerung bleiben werde. Katz kündigte Gegenmaßnahmen auf internationaler Ebene an. Auch die Hamas, die sich ebenso als Opfer sieht, übte Kritik am Vorgehen Den Haags.

Sanktionen USA Blinken

Foto: rawpixel.com / U.S. Department of State

…und bekommt Unterstützung von der USA

Die USA haben ihren Verbündeten Israel nach der Beantragung von Haftbefehlen gegen den Regierungschef und Verteidigungsminister wegen schwerwiegender Vorwürfe im Gaza-Krieg demonstrativ in Schutz genommen.

„Entgegen den Anschuldigungen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel handelt es sich nicht um Völkermord“, sagte US-Präsident Joe Biden am Montag im Rosengarten des Weißen Hauses anlässlich einer Feier für die Errungenschaften amerikanischer Juden in den die USA. „Wir weisen das zurück. Wir stehen an der Seite Israels.“

IGH

Foto: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek

Jetzt sind die Richter gefragt

Die Richter des Strafgerichtshofs müssen nun entscheiden, ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden. Nach Einschätzung von Völkerrechtlern ist das wahrscheinlich, dass die Mehrheit aller bisherigen Anträge positiv beschieden wurden.

Sollten sie dem Antrag des Anklägers zustimmen, gäbe es zwar keinerlei Möglichkeit der direkten Vollstreckung. Die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wäre jedoch deutlich eingeschränkt. Denn die mehr als 120 Vertragsstaaten des Gerichts sind – formal betrachtet – dazu verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen und auszuliefern.

Südafrikas Regierung begrüßte das Vorgehen des Chefanklägers des IStGH. Das Land hatte den Internationalen Gerichtshof wiederholt zu Maßnahmen gegen Israel aufgefordert und Netanjahus Regierung Völkermord vorgeworfen. Die Richter haben Israel in Eilentscheidungen verpflichtet, alles zu tun, um einen Völkermord in Gaza zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen.