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Man nannte ihn „Staunen der Welt“

Foto: CAB/Artis Frank Boxler

Ende des 12. Jahrhunderts machte sich in Europa Endzeitstimmung breit. Da gebar Konstanze, Gemahlin des deutsch-römischen Kaisers Heinrich VI., im Alter von 40 Jahren endlich den ersehnten Thronerben. Von Joachim Heinz

Ancona (KNA). Am zweiten Weihnachtstag 1194 erblickte er in Jesi bei Ancona das Licht der Welt: Friedrich II. aus dem Geschlecht der Staufer, später Herrscher von Sizilien, dann römisch-deutscher Kaiser, schließlich sogar „König von Jerusalem“. Schnell wurde sein Geburtsdatum zum Sinnbild für die Hoffnungen, die sich in stürmischen Zeiten mit dem jüngsten Spross der mächtigen Adelsdynastie verbanden.

Für Petrus von Eboli war Friedrich der „Knabe verheißen der Welt“, ein „Erneuerer der Zeiten und Reiche“. Weihnachten, das Fest der Geburt Christi, passte ideal zu derlei messianischer Heilserwartung. Als der „Liebling der Götter der Welt“ fast 56 Jahre später, am 13. Dezember 1250 auf der Burg Castel Fiorentino, das Zeitliche segnete, fiel das Urteil deutlich zwiespältiger aus.

Gestorben sei „das Staunen der Welt und ihr wunderbarer Verwandler“, notierte der englische Chronist Matthaeus Paris. Der Franziskaner Salimbene de Adam dagegen hielt über Friedrich fest, dieser sei „ein unheilvoller und verworfener Mensch“ gewesen, ein Spalter und Ketzer. Bis in die Gegenwart hinein scheiden sich an dem „Herrscher zwischen den Kulturen“ die Geister.

Mit Friedrich endete die Ära der Staufer auf dem römisch-deutschen Thron. Weil das „Kind aus Apulien“ nur selten nördlich der Alpen aufkreuzte – 1235 übrigens in Begleitung von Elefanten, Kamelen und anderem exotischen Getier, erweiterten sich die Handlungsspielräume der dortigen Fürsten, so Historiker Klaus van Eickels. Mit dem deutschen Föderalismus sei ein „ferner Reflex“ aus jenen Tagen bis heute spürbar.

Zugleich war Friedrich ein machtbewusster Mann, der versuchte, die Herrschaft über Sizilien und das Reich gegen den Papst durchzusetzen, der zwischen den Fronten saß und die „staufische Zange“ fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Als von der kirchlichen Gemeinschaft Ausgeschlossener begab sich der deutsch-römische Kaiser im Sommer 1228 auf einen Kreuzzug, wo er kurz darauf die Kontrolle über Jerusalem übernehmen konnte.

Der Konflikt mit dem Papst konnte dadurch nur zeitweilig beigelegt werden, eskalierte jedoch 1239 über machtpolitische Differenzen in Oberitalien in einem zweiten Bann Gregors IX. Dessen Nachfolger Innozenz IV. berief gar ein Konzil nach Lyon ein, das Friedrich 1245 absetzte. Während die päpstliche Propaganda den Kaiser mit dem apokalyptischen Tier aus der Offenbarung des Johannes verglich, hielt Friedrich dagegen und nannte sich selbst „neuer Messias“ und „Kaiser der Endzeit“. Wenig zimperlich zeigte er sich auch im Verhältnis zu seinem Sohn und zeitweiligen Mitregenten Heinrich. Als dieser dem Vater den Gehorsam verweigerte, setzte Friedrich ihn kurzerhand fest.

Die Chroniken überliefern aber auch ganz andere Züge des Staufers: Universitätsgründer und Wahrer des Rechts; Förderer der Künste und salomonischer Herrscher. Als Juden im Reich Ritualmorde an christlichen Knaben zur Last gelegt wurden, installierte Friedrich zunächst eine Untersuchungskommission, die alle Vorwürfe als haltlos zurückwies. Und stellte sich anschließend schützend vor die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft.

Angeblich sprach der Kaiser mehrere Sprachen, darunter Italienisch, Deutsch und Latein sowie Griechisch und Arabisch. Mindestens 20 Kinder von 13 Frauen soll er gehabt haben. Die wohl größte Liebe des Lebemanns galt der Falknerei. Sein Buch „Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen“ diente bis in die Neuzeit als ornithologisches Referenzwerk. Ins Reich der Fabeln gehören aber wohl die Friedrich zugeschriebenen grausamen Experimente, wonach er etwa Neugeborene isoliert habe, um die Ursprache der Menschheit herauszufinden.

Über seinen Tod hinaus entfaltete Friedrich ein schillerndes Eigenleben. Protestanten erhoben den Widersacher der Päpste zum Vorkämpfer der Glaubensfreiheit. Der Dichter Stefan George und der Historiker Ernst Kantorowicz kürten den Kaiser im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einer deutschen Überfigur. Die Nationalsozialisten kamen nur allzu gern darauf zurück. Am ehesten brachte es Klaus van Eickels auf den Punkt: „Auch in der Rückschau entzieht sich Friedrich II. einer eindeutigen Einordnung.“