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Rubrik „Deutschland und der Islam“: Ein Elefant auf Reisen

Ausgabe 320

Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei

Am 20.07.802 erschien ein wundersames Wesen in der Kaiserpfalz Aachen. Es war der Elefant Abu’l-Abaz, ein Geschenk des Kalifen Harun Ar-Raschid. Der erste Elefant nördlich der Alpen der namentlich erwähnt wurde, war eine Sensation und wurde Symbol der Macht des zwei Jahre zuvor zum Kaiser gekrönten Karl dem Großen (König 747-814). Das Tier begleitete den Kaiser auf seinen Reisen und starb 810 nach einer Überquerung des Rheins. 1750 werden seine Knochen an der Mündung der Lippe am Rhein gefunden. 2011 erscheint sogar eine Biographie über ihn.

Abu’l-Abaz ist ein Beweis der ersten diplomatischen Beziehungen zwischen dem Frankenreich und dem Orient (das Frankenreich umfasst vor allem das heutige Frankreich, Norditalien, die Schweiz sowie anfangs nur Süd- und Westdeutschland, später kamen Norddeutsche Gebiete und das heutige Thüringen hinzu). Deutsch ist sein Reich nicht, er ist eher „der Vater Europas“, aber da seine Hauptresidenz in Aachen war, zählen Deutsche ihn auch zu „ihren Kaisern”).

Die Karolinger hatten schon sehr früh Kontakt mit Arabern. Ihr „Stammvater“ Karl Martell schlug die vordringenden Araber 732 bei Poitier und wurde daher später zum „Retter des Abendlandes“ erklärt. Sein Sohn, Pippin der Jüngere, setzt diesen Kampf fort und drängt 759 die Araber über die Pyrenäen zurück.

765 nimmt Pippin Kontakt mit den Abbasiden auf und schickt eine erste Gesandtschaft nach Ar-Rakka, dem Sitz des abbasidischen Kalifen, die nach drei Jahren zurückkehrt. Es kommt zu einem Gegenbesuch einer abbasidischen Delegation, die 768 von Pippin empfangen wird und Geschenke überbringt. Welche Absicht Pippin hatte und welchen Inhalt die Gespräche hatten, ist nicht bekannt.

Sein Sohn Karl hat zunächst mit den Omayyaden Kontakt. Auf dem Reichstag in Paderborn im Jahre 777 erscheinen Abgesandte der Emire von Barcelona und Saragossa, es gab im Emirat Spannungen zwischen Berbern und Arabern und sie bitten Karl um Hilfe gegen den Emir ‘Abd Ar-Rahman. Im Gegenzug versprechen sie, sich unter Karls Herrschaft zu stellen.

Karl hatte sein Reich bereits nach Süden (Norditalien) ausgedehnt und seinen Hauptgegner im Norden und Osten die Sachsen vermeintlich besiegt und ergriff daher die Gelegenheit sein Reich nach Westen zu erweitern.  778 überquert er die Pyrenäen und beginnt zunächst mit der Unterwerfung der (christlichen) Basken. Als er in Saragossa auf dem Gebiet der Omayyaden ankommt, wird er wider Erwarten nicht willkommen geheißen, da sich die vermeintlichen Überläufer wieder mit dem Emir von Cordoba versöhnt hatten. Karl war auf eine längere Belagerung nicht eingerichtet und zieht daher wieder ab. Auf seinem Rückzug plündert sein Heer die Hauptstadt der Basken Pamplona. Die Basken wiederum überfallen Karls Heer beim Rückzug über die Pyrenäen und fügen ihm eine Niederlage zu. Die Schlacht von Roncesvalles wird fast 300 Jahre später im Rolandlied (1066) umgedeutet in ein Heldenepos im Kampf gegen die heidnischen Mauren.

Karls Feldzug war auf keinen Fall religiös motiviert. Das Wissen über den Islam war in dieser Zeit auch noch sehr gering. Die erste Übersetzung des Qur’an ins Lateinische erfolgt erst 1143 und bis zu den Kreuzzügen 1095 weiß man fast nichts über die fremde Religion. Man interessiert sich allerdings auch nur wenig dafür. Zu sehr war man damit beschäftigt, die Macht im Zentrum Europas zu festigen.

Nach seinem Debakel in Spanien muss sich Karl wieder mit den Sachsen beschäftigen, die sich unter Widukind wieder gegen ihn erhoben haben und es dauert 24 Jahre, bis er die Sachsen unterwerfen kann. Als er die Wiederherstellung der „Römischen Kaiserwürde“ anstrebt, macht er einen weiteren potentiellen Gegner aus, das Byzantinische Reich.

Dies mag die Motivation gewesen sein 797 eine Delegation zu Harun Ar-Raschid, dem Kalifen der Abbasiden zu schicken und mögliche Allianzen auszuloten. Er bittet Harun explizit um einen Elefanten. Vier Jahre später erhält er Nachricht, dass seine Delegation auf dem Rückweg ist. Die ursprünglichen Gesandten waren inzwischen verstorben, sodass die Delegation nun von dem jüdischen Kaufmann Isaak angeführt wird. Die Delegation hatte den Landweg durch byzantinisches Gebiet gemieden und brachte den gewünschten Elefanten von Ar-Rakka über Kairo nach Tunis und dann mit dem Schiff nach Ligurien. 801 überwintern sie in Italien, da der Elefant im Winter die Alpen nicht überqueren kann und kommen schließlich im Sommer 802 in Aachen an.

Es gab noch einen weiteren Gesandtenaustausch im Jahre 807, bei dem es wohl vor allem um den sicheren Zugang zu den Pilgerstädten in Jerusalem ging. Zumindest 2 Mönche aus Jerusalem waren Teil der Delegation und da die Auseinandersetzung mit Byzanz ausblieb, mag Jerusalem die Hauptmotivation für die Fortsetzung des Dialogs gewesen sein.

Diese Rubrik wird gefördert durch die Deutsche Muslim Liga e.V.

Tipps zum Weiterlesen:
Richard Fletcher, Ein Elefant für Karl den Großen – Christen und Muslime im Mittelalter, Darmstadt 2005.
– Achim Thomas Hack, Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten, Badenweiler 2011.
Michael Borgolte, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden und mit den Patriarchen von Jerusalem, München 1976, s. 3-15.
Nico Geisen, Zwischen Entfernung und Elefanten. Die Absichten der karolingisch-abbasidischen Diplomatie, Hausarbeit 2017