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Rückbetrachtung zur Causa Ataman oder das Ende einer Schlammschlacht

Ausgabe 326

ataman diskriminierung rassismus
Foto: Heinrich-Böll-Stiftung, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 2.0

(iz). Nun ist Ferda Ataman am 7. Juli nach einer heftigen und unappetitlichen Schlammschlacht vom Bundestag zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt worden. Es sei ihr gegönnt. Hoffentlich füllt sie ihr Amt erfolgreich aus. Ich hätte eine Fachfrau wie Prof. Dr. Naika Faroutan bevorzugt. Aber die Entscheidung lag nicht bei mir.

Allerdings fällt es mir schwer, in der offensichtlichen Kampagne gegen Ataman einen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit zu sehen, wie es manche Kommentare getan haben. Dieser Streit lässt sich mindestens so gut als Binnenkonkurrenz zweier Eliten beschreiben: Die einen wollen ihre bisherigen Anfangserfolge absichern und ausbauen. Die anderen ihre tradierten Privilegien verteidigen. Hier stehen „alte weiße Männer“ gegen die urbanen Gewinner der Globalisierung jeglicher Herkunft.

Die Kritik an Ataman und ihrem Millieu war mehrheitlich verfehlt, oft unfair und nicht selten mit falschen oder verzerrten Darstellungen durchsetzt. Ihr Ton mag häufig konfrontativ sein, aber alltäglicher und struktureller Rassismus sind für die Betroffenen um ein Vielfaches aggressiver und – bis auf die gesundheitliche Ebene – schädigender als zugespitzte öffentliche Debatten. Das gesellschaftliche Lager, das mit den Angriffen auf Ferda Ataman gemeint ist, kann und muss man hingegen für andere Dinge kritisieren:

1. Dass es sein Engagement im Rahmen von Konkurrenzverhältnissen eines globalisierten Kapitalismus betreibt. Maxim Biller hatte das vor Jahren in einem Aufsatz für die ZEIT schlüssig aufgezeigt. 

2. Dass es Diskurse um Ausgrenzung und Privilegien auf Herkunft und Gender verkürzt. Dabei gerät die Kategorie Klasse (oder Religion) objektiv betrachtet in den Hintergrund.

3. Dass es Millionen Angehörige der unteren Klassen (ob migrantisch oder nicht), die sich längst frustriert aus Öffentlichkeit und Politik verabschiedet haben (oder sich Populisten wie der AfD zuwenden), nicht mit ins Boot holt. So wird die Möglichkeit der Solidarisierung – die zwischen BPoCs und ökonomisch Unterprivilegierten – nicht einmal angedacht. Etwas, das die Black Panther einmal im Ansatz versuchten, bevor sie zerschlagen wurden.

4. Dass es im Grunde etatistisch und nicht politisch denkt.

5. Dass es an identitären Gedankengängen vorbei schrammt und eine Einheit von Individuum, seiner Gruppe und „Kultur“ postuliert. Der Nachkomme türkischer MigrantInnen, der sich für die Weimarer Klassik begeistert, und die weiß-deutsche Konvertitin zum Islam müssen hier Anomalien bleiben. Einfach, weil sie grundlegende Schemata durchbrechen. Und Grenzgänger finden hier keinen Platz. Überhaupt ist das Menschenbild ein abstraktes, dass ihn vorrangig als Teil von Kollektiven und Machtverhältnissen sieht.

6. Dass es Rasse, Herkunft und Kultur als unveränderliches Schicksal betrachtet und nicht als Prozesse oder gar Chance begreift. Eine dystopische und quasi-calvinistische Sichtweise (im Sinne einer Vorherbestimmung) auf weiße MitbürgerInnen, die derart zum Rassismus verurteilt seien, lässt kaum Platz für Alternativen und macht dieses Denken für Muslime durchaus problematisch. Das ist übrigens ein Aspekt, der in einer kritischen Behandlung des Themas von schwarzen Islamgelehrten in den USA angesprochen wird.

Fazit: Diese „Debatte“ hat erneut – wie zuvor die Pandemie – den zweigeteilten, sich radikalisierenden Charakter der Gesellschaft aufgezeigt. Für dritte oder vierte Positionen bleibt wenig Raum.

Aber: Wer möchte sich schon auf die Seite ranziger alter Männer und ihrer Kronzeugen schlagen?