Vision und starke Wirtschaft: Ahmet Davutoglu in der Schweizer Provinz

Prof. Ahmet Davutoglu sprach zum ersten Mal in seiner neuen Funktion als Regierungschef zu seinen türkischen Landsleuten in Baden. Vor rund 2.500 begeisterten Personen sprach er über eine neue, selbstbestimmende und starke Türkei, die in naher Zukunft zu einer Weltmacht werden wird und die Gerechtigkeit auf der Welt als höchste Priorität erachtet.

Am Freitagabend (den 23. Januar) fragten sich womöglich so einige Einwohner Badens angesichts der vielen Straßensperrungen um das Kultur- und Kongresszentrum, welches in der Nähe vom Bahnhof liegt. Ein grosses Polizeitaufgebot war rund um den Brown Boveri Platz zu stationiert. Kein geringerer, als der neue Premierminister der Türkei, der wegen des Weltwirtschaftsforums WEF in der Schweiz weilt, hielt eine Rede auf eine kurzfristige Einladung der UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten). Schon 24 Stunden nach der Ankündigung des Events waren laut den Organisatoren 3500 Eintritt-Tickets bestellt worden. Es waren Frauen, Männer und Kinder angereist, die ihren Star des Abends, oder wie sie ihn sonst auch nennen „Ahmet Davutoglu, ein wahrer Enkel der Osmanen!“, frenetisch mit Sprechchören, türkischen und vereinzelt albanischen, mazedonischen, palästinensischen Flaggen feierten.

Eine wirtschaftlich starke Türkei
Fast schüchtern wirkte der neue starke Mann in der Türkei vor einem entflammten Publikum, bis der erste Klang seiner Stimme ertönte, die anders als sein Auftreten, selbstbewusst, machtvoll, motivierend und inspirierend war.

Er beteuerte immer wieder den Fortschritt der „neuen“ Türkei in vielen Sektoren. Zahlen wie „1.5 Millionen neue Arbeitsstellen“ wurden bekanntgemacht. Die Schulden an den IMF wurden abbezahlt und die Türkei sei jetzt sogar in der Lage, dem internationalen Währungsfond auch Geld zu leihen. Der Wirtschafsaufschwung sei primär durch „Eine transparente Verwaltung, der Wille und die Standhaftigkeit“ geebnet worden. Die Türkei sei auch ein „Segen für Europa“. „Trotz Hindernissen, Vorurteilen und Provokationen wird die Türkei früher oder später in die Europäische Union eintreten“ sagte er optimistisch.

Zudem habe sich die Türkei „nie gebeugt und werde sich auch nicht beugen“. Vor seiner Regierung habe die EU, den Beitritt der Türkei in die Union mit dem Argument, die Türkei sei arm, sie würde der EU viel kosten abgelehnt. Dieselben Menschen sagten heute, die Türkei würde als Mitglied die EU wirtschaftlich, bevölkerungsmässig dominieren. Die BesucherInnen gerieten in Ekstase und riefen lautstark immer wieder “Türkiye seninle gurur duyuyor! (Die Türkei ist stolz auf dich)“.

Davutoglus Vision für die Gerechtigkeit
Im zweiten Abschnitt wurden die Menschen in der ganzen Welt angesprochen. “Für die Zukunft der Menschheit benötigt man Gerechtigkeit”, beteuerte Davutoglu immer wieder. Man könne sich auf die Unterstützung der Türkei diesbezüglich verlassen.

„Jegliche Art von Rassismus wird in der Türkei abgelehnt, jeder gehört zum Staat, egal welcher Glaube oder welche Herkunft, ob Laz oder Cerkez, ob Sunnit oder Alevit, wir gehören alle dem Staat Türkei an“, sagte er vor jubelnder Masse. Zur Lage in Europa äussert er sich zudem optimistisch für die Zukunft und glaubt zutiefst, dass Muslime und Christen friedlich nebeneinander leben können und werden. Er betonte, dass seine Regierung für den Frieden kämpfe. Im Wissen, dass die Türkei als Nachbarn von Irak, seit den Irakkriegen mit über einer Million Toten Menschen, von Syrien mit über 200.000 Toten, und in der Nähe zum Balkan, mit rund 100.000 Toten, zollten die Zuschauer diesem Bekenntnis für den Frieden und dem Ende des Blutvergiessens grossen Beifall.

Er plane in den nächsten Wochen den Balkan zu besuchen. „Wir haben mit den Albanern, Mazedoniern, Bosniern, der türkischen Minderheit und dem Rest der Muslime auf dem Balkan denselben Qur‘an“. Es sei der Türkei von zentraler Bedeutung, für die Einheit der Umma zu streben. Als dann bat er zwei von über einem Dutzend von somalischen Besuchern auf die Bühne hochzusteigen und umarmte sie. Damit wolle er die Gleichheit der Muslime aufzeigen und die Türkei werde alles daran setzen, die Schere zwischen den wenig und den weit entwickelten Ländern zu schliessen.

„Wenn die Kinder in Somalia hungern müssen, wenn die in Europa und Amerika verschwendete Elektrizität, mehr als die in Afrika konsumierte Elektrizität ist, wenn 620 Mio. der afrikanischen Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität haben, kann es auf dieser Welt keinen Frieden, keine Ruhe und Gerechtigkeit geben. In Davos habe ich den dortigen Teilnehmern das zur Sprache gebracht.“ Und weiter “ „Hilfe für Kriegsopfer sowie für Armut ist kein Verlust“.