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Was tun, wenn der Winterblues kommt?

Ausgabe 320

Foto: Igor Stevanovic

Es ist passiert. Wir befinden uns mitten im Winter. Die Nächte sind lang, die Tage kurz. Viele nehmen diese Überwinterung als Zeit des Rückzugs und der Beschränkung wahr. Das Wetter ist kalt, es regnet oder schneit und die Welt da draußen verliert viel von ihrem Reiz. Von Zainab Al-Shalchi

Das ist eine menschliche Reaktion auf die kalte Jahreszeit. Hinzukommt, dass wir immer noch nicht in gewohnten Verhältnissen leben. Seit Beginn der Pandemie im März 2020 haben wir unvorhersehbare Situationen erlebt, die sich für viele nachteilig auf die geistige Gesundheit auswirken. Nicht wenige stehen vor steigenden Sorgen, haben finanzielle Schwierigkeiten und haben schwere Erkrankungen oder gar Tode in der Familie zu beklagen. Die Erinnerung an wärmere Zeiten schwindet und der Sommerurlaub liegt gefühlt schon weit zurück.

Die gedämpfte Stimmung im Winter wird manchmal vom Phänomen der saisonalen Winterdepression begleitet. Sie ist gekennzeichnet durch Gefühle wie Reizbarkeit, Lethargie und höheren Selbstzweifeln. Bei Betroffenen kann sie auch zu Verhaltensänderungen führen: Überessen, mehr Schlafen und einem verminderten Gefühl von Zufriedenheit.

Jetzt haben einige Menschen mit ansonsten normalen Gemütszuständen depressive Augenblicke. Für diejenigen mit bestehenden Problemen bei ihrer seelischen Gesundheit, und die ohnehin schon schwer unter der Pandemie zu tragen haben, macht der Winter die Dinge nicht leichter. Für Betroffene ist es wichtig, zu wissen, wann und wo sie Hilfe suchen können, sollte sich dieser zeitweise und zumeist milde Zustand verschlechtern und verfestigen.

Für die meisten Menschen bedeutet die saisonale Verstimmung einen eher milden und temporären Moment. Mit Hilfe von Aufmerksamkeit und Bewusstseinswandel können wir ihre Klippen umschiffen. Forscher und Einrichtungen wie die New Economic Foundation (NEF) schlagen seit Längerem verschiedene Wege zu einem besseren Wohlergehen vor. In einem Bericht hat die NEF fünf Bereiche formuliert, auf denen kleine Verbesserungen mental viel bewegen können. Die einfachen alltäglichen Gewohnheiten, die wir in unseren Tag einbauen können. Vor allem in einer Zeit, in der wir vielleicht Probleme haben, können sie tatsächlich eine tiefgreifende Schutzwirkung haben.

Bindungen – wir haben das Bedürfnis, uns mit anderen und unserem Umfeld zu verbinden. Das kann gerade herausfordernd sein. Einfache Wege dahin sind Mahlzeiten im Kreis der Familie oder des eigenen Haushalts. Wir können Freunde per Video anrufen. Das ist viel besser, als sich über soziale Plattformen oder per Email auszutauschen. Es ist ebenfalls sehr belebend, Zeit im Freien und in der Natur zu verbringen.

Aktiv sein – damit ist nicht gemeint, Stunden im Gym zu verbringen. Ein Spaziergang an der frischen Luft, etwas Krafttraining oder Yoga steigern unsere Positivität. Der Körper setzt dann Substanzen frei, die einen Einfluss auf unsere Gehirnchemie haben und damit unsere Konzentration, Gedächtnis und allgemeinen Zustand verbessern.

Wahrnehmung – ein Schlagwort, das seit einiger Zeit in aller Munde ist: Achtsamkeit. Es ist gar nicht so schwierig, wie man denken könnte. Kostenlose Apps können helfen, den Geist zu schulen, damit man die Umgebung, Gerüche und andere Sinne bewusster wahrnimmt. Angebote wie Calm oder Headspace eignen sich gut für Atem- und Schlafmeditationen. Wenn Sie bewusster und präsenter sind, können Sie das, was Sie essen, sehen und fühlen, besser genießen. Der Verzicht auf Bildschirme kann die eigene Erfahrung wirklich verbessern. Aus islamischer Perspektive kann eine verbesserte Aufmerksamkeit uns beim Nachdenken helfen und Ehrfurcht vor dem Schöpfer und Seinem Werk steigern. „In der Schöpfung der Himmel und der Erde und in dem Unterschied von Nacht und Tag liegen wahrlich Zeichen für diejenigen, die Verstand besitzen.“ (Al-i-‘Imran, Sure 3, 190)

Geben – in unserem Glauben wird zum Spenden ermutigt. Neben dem augenfälligen Vorteil für andere, verleiht es uns ein Gefühl von Nützlichkeit, Gebrauchtwerden und Beitrag zur Mitwelt. Das kann Wahrnehmungen von Hilflosigkeit und Verzweiflung vorbeugen, die häufig Teil von depressiven Zuständen sind. Geben kann alles sein, was Sie anderen zur Verfügung stellen können. Sei es Zeit, Geld, Zuhören, Poesie, Kunst oder jede andere Fähigkeit, von der andere profitieren können.