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Kommentar: Die Islamkonferenz ist gescheitert. Auch, weil sie „heiße“ Begriffe nicht abrüsten will

(iz). In schwierigen Debatten kann man sich auch schwer verheben. So liest man heute sogar in der ehrwürdigen FAZ diese bemerkenswert abstruse Logik: „Extremismus und Terror gehören zu den Gründen, […]

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NRW-Wahlen: Kann es ein konstruktives Verhältnis von Piraten zu potenziellen, muslimischen Wählern geben?

(iz). Irgendwie sind die Piraten ja knuffig. Manche finden das scheinbar unorganisierte, kreative Chaos der neuen, rapide anwachsenden Partei faszinierend, wenn nicht gar süß. Der Wille zur Macht ist offenkundig. ­Immerhin ist ihre Motto ja auch „Klar machen zum Entern!“. Die Piraten wollten sich, so der mittlerweile über einen NSDAP-Vergleich gestrauchelte Pirat Delius, in Richtung Regierung bewegen.

Treffen die Neopolitiker auf Realpolitik, wird sich erweisen, ob sie alles neu machen, oder ob sie Fakten zur Übernahme von Kompromissen zwingt. Der erste Test sind die für den Mai angesetzten Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Insbesondere hier gibt es aktuelle Entscheidungen in Sachen Integration und Islam – wie den Islamischen Religionsunterricht. Sollten die Piraten hier auf eine Entscheidungsfindung durch das ungeordnete, wabernde Inter­net setzen, stellen sich sicherlich viele Muslime die Frage, was ihre Positionen sein werden.

Politikinteressierte Muslime, die in der Vergangenheit mehrheitlich Rot-Grün die Treue hielten, werden sich die rapide wachsende Partei genau anschauen. Noch ist unklar, wie sich diese Partei in dem Politikfeld „Islam“ positionieren will. Dies macht eine Wahlentscheidung von Seiten muslimischer Wähler in NRW auch nicht nicht leichter für Muslime. Bei Grünen, der SPD und der CDU sind die grundsätzliche Punkte bekannt. So unterstützten alle drei den wegweisenden Beschluss zur Einführung des IRU. Hier werden auch die Piraten Stellung beziehen müssen, wollen sie die Wahlberechtigten unter den rund 1,3 Millionen NRW-Muslimen ansprechen.

Ein Interview der Katholischen Nachrichtenagentur vom 25. April mit den NRW-Spitzenkandidaten der Pira­ten in dem Bundesland, Joachim Paul, muss auf jeden Fall skeptisch stimmen, ob diese Partei die richtige für Muslime sein wird. Dank der medialen Debatte um „anti-semitische, anti-muslimische oder NS-relativierende Äußerungen an der Piraten-Basis“ (wie die „Zeit“ berichtete) besteht hier Klärungsbedarf. Dieser lässt sich auch nicht damit entkräftigen, dass ­Parteiaktivisten noch „unerfahren“ oder gar „überfordert“ seien.

Joachim Paul sieht im Gesellschaftsbild seiner Partei „schon eine ­kulturelle Barriere auch zum nichtextremistischen traditionellen Islam“. Dass der Spitzen-Pirat in NRW die „Kultur“ bemühen muss, zeigt, dass die ansonsten hippen Piraten noch nicht auf der Höhe der Debatte angekommensind. Was übrigens ein „nichtextremistischer traditio­neller Islam“ sein soll, hat Paul nicht gesagt. „Viele in der Partei sind bereit, gegenüber einem rückwärtsgewandten Islam ganz klare Kante zu zeigen“, meint der NRW-Oberpirat. (M. Khan)

Aktueler Lesetipp (Link zu einem ZEIT-Artikel vom 26.4.2012:
Ein WLAN-Anschluss macht noch keinen Demokraten

Presseerklärung der SCHURA Niedersachen zum neuen Handlungskonzept des Innenministeriums

Hannover (PE Schura). Arbeitgeber sollen laut Schünemann in die Lage versetzt werden, „Radikalisierungsprozesse im eigenen Firmenumfeld frühzeitig zu erkennen“, so im Handlungskonzept. Das Netzwerk des Arbeitsbereichs Wirtschaftsschutz soll in Unternehmen und Wirtschaftsverbänden eine Sensibilisierung für die Themenfelder „Islamismus“ und „Radikalisierung“ übernehmen. Sie werden aufgefordert, „in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen“. Arbeitgeber sollen also ihre muslimische Mitarbeiter beobachten und Erkenntnisse den Sicherheitsdiensten melden.

„Schura Niedersachsen wurde im Rahmen des Handlungskonzepts weder über die einzelnen Vorhaben informiert, noch hat sie Bereitschaft zu einer diesbezüglichen partnerschaftlichen Zusammenarbeit erklärt, wie es vom Niedersächsischen Innenministeriums behauptet wird“, erklärte Avni Altiner, Vorsitzender der Schura Niedersachsen, anlässlich des am 6. März 2012 vorgestellten Handlungskonzept zur „Antiradikalisierung“. Altiner weiter: „Es ist befremdlich, wenn Innenminister Uwe Schünemann erklärt, dass ‘schon bei der Erarbeitung des Konzeptes muslimische Vertreter mitgewirkt haben‘. Das entspricht nicht der Wahrheit. Vorschläge und Einwände der Schura Niedersachsen wurden weder berücksichtigt noch haben sie Eingang in das Handlungskonzept gefunden. Wenn dies dennoch behauptet wird, entspricht das allenfalls dem Wunsch, nach außen Einigkeit vorzutäuschen.“

„Richtig ist, dass beide Islamischen Religionsgemeinschaften ab einem gewissen Zeitpunkt auf ihr Drängen hin eingeladen worden sind. Nur zufällig haben die Islamischen Religionsgemeinschaften nach einer lange verstrichenen Arbeitsphase von den Arbeits- und Projektgruppen erfahren. Bedenken, Kritik und Vorschläge, die dazu geäußert wurden, wurden außer Acht gelassen. Daher ist es falsch, dass die Islamischen Religionsgemeinschaften dieses Handlungskonzept für aus unserer Sicht untragbare Maßnahmen mitgestaltet oder mitgetragen hätten.

Somit wurden der Einladung des Innenministeriums zu einem gemeinsamen Auftritt in der Landespressekonferenz folglich auch nicht entsprochen, würde dies doch zu einer öffentlichen Fehlinterpretation dieser Arbeiten führen.

Wir hatten uns schon dem Versuch der Instrumentalisierung während der langjährigen und äußerst diskriminierenden verdachtsunabhängigen Kontrollen des Innenministers vor Moscheen widersetzt und werden dies auch in Zukunft tun; solche waren vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages als verfassungswidrig eingestuft worden.

Die Islamischen Religionsgemeinschaften sitzen seit Jahren gemeinsam mit den Niedersächsischen Sicherheitsbehörden an einem Tisch. Für uns ist es wichtig, gemeinsam Konzepte zu entwickeln und diese umzusetzen. In konkreten, nachweisbaren Fällen unterstützen wir die Verfolgung terroristischer Umtriebe unter voller Ausschöpfung der strafermittelnden und -rechtlichen Möglichkeiten. Es ist aber mehr als laienhaft anzunehmen, dass sich fragliche Personen innerhalb der Gemeinden profilieren würden. Die Sicherheit im Lande, in der Gesellschaft und auch für unsere Gemeinden ist uns wichtig! Insbesondere wenn es um die Sensibilisierung und Aufklärung der Sicherheitsbehörden und der Mehrheitsgesellschaft geht. Allerdings muss dies im gegenseitigen Respekt, einem angemessenen Procedere und auf entsprechender Augenhöhe geschehen.

Die ‘vertrauensbildenden Maßnahmen’, von denen im Papier des Innenministeriums die Rede ist, können mit den vorgelegten Handlungskonzepten nicht erreicht werden. Denunziantentum im Arbeits- oder sozialen Umfeld oder gar in Schulkassen sind allenfalls geeignet, Vorurteile zu schüren, Muslime unter Generalverdacht zu stellen und sie letztendlich in das soziale Abseits zu drängen. In einem Klima des Misstrauens, wo Arbeitgeber, Dialogpartner oder Lehrer aufgefordert werden, bei ‘Auffälligkeiten’ ‘fallbezogene’ Informationen an die Sicherheitsbehörden zu liefern, kann kein Vertrauen entstehen.

Wenn Schünemann in Niedersachsen wieder eine Blockwart-Mentalität installieren möchte, dann macht er gesamtgesellschaftlich ein Fass auf, über das auch in der gesamten Gesellschaft der Diskurs geführt werden muss. ‘Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant’ – Dieser Satz des Dichters August Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat ja in der Geschichte der deutschen Diktaturen seine unrühmliche Bestätigung gefunden. Will jemand dorthin zurück? Dies widerspricht auch dem Selbstverständnis der Schura Niedersachsen.

Wir sehen die konkrete Gefahr darin, dass der gesamtgesellschaftliche Frieden in Niedersachen durch solche unbedachten Schritte nachhaltig gestört wird. Diese Arbeiten sind einerseits rechtlich bedenklich, anderseits entsprechen sie einem politischen Taktieren, das dem Ethos der Demokratie und den Grundlagen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft widerspricht, indem es aus unserer Perspektive zunehmend den Zug einer Einschüchterungspolitik trägt.

Es dürfte zudem abschreckend wirken, wenn die Federführung für diese Maßnahmen beim Verfassungsschutz bleibt. Leider hat dieser durch die letzten schrecklichen Ereignisse in Bezug auf den rechtsradikalen Terrorismus große Verluste an Vertrauen – nicht nur unter den Muslimen – einstecken müssen. So empfindet sich die breite Masse der Muslime in Niedersachsen wieder mal unter Generalverdacht, vorverurteilt und als Opfer eines schlichten politischem Populismus.“

Niedersachen: DITIB widerspricht ministerieller Presseerklärung in ihren entscheidenden Punkten

Hannover (iz). Es ist eine Binsenweisheit, dass wichtige Entwicklungen etwas länger brauchen, um auch in der Provinz Eindruck zu machen. Daher muss es nicht verwundern, dass sich die Nachwirkungen der Anschläge in Norwegen, die Grauzonen der extremen Islamkritik und das offene Ende der Ermittlungen zum rechtsextremen Terrornetzwerk der so genannten “Zwickauer Zelle” noch nicht überall Bahn gebrochen haben. Doch selbst in der ansonsten idyllischen Landeshauptstadt Hannover sollten diese Ereignisse jetzt wahrgenommen und verarbeitet worden sein.

Am Donnerstag, den 7. März 2012 veröffentlichte das niedersächsische Innenministerium seine “Kernaussagen zur Antiradikalisierung und Prävention im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus”. Hierzu sei insbesondere auf die Bestandsaufnahme der Arbeitsgemeinschaft “Deradikalisierung” des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) in Berlin zurückgegriffen worden. Im Rahmen der Projektgruppenarbeit seien zudem umfangreiche Materialien gesammelt und ausgewertet worden sein.

“Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat die Projektgruppe 'Antiradikalisierung' ein Handlungskonzept zur Antiradikalisierung und Prävention im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus in Niedersachsen” erarbeitet, hieß es in dem ministeriellen Papier.

Erstens solle im Rahme so genannter “Präventionspartnerschaften” die Zusammenarbeit mit muslimischen Institutionen weiter intensiviert werden, um Radikalisierungstendenzen möglichst früh zu erkennen. “Aufbauend auf den hier gesammelten Erfahrungen und Kontakten sollen nun gemeinsam institutionalisierte Präventionspartnerschaften auf lokaler sowie auf Landesebene entwickelt werden.” Ein “Gesprächskreis” solle genutzt werden, um das weitere Vorgehen “in Angelegenheiten der Islamismusprävention im Sinne des Handlungskonzeptes” mit muslimischen Organisationen zu besprechen.

Dies dürfte einer der kritischen Punkte sein, da bisher in der bundesdeutschen Debatte ungeklärt ist, was eigentlich unter “Islamismus” zu verstehen sei. Bereits in der Vergangenheit wurde von unterschiedlichen Seiten zu Recht angemerkt, dass der so genannte “Islamismus”-Begriff deutscher Sicherheitsdienste auch Aspekte betrifft, die vom Grundgesetz gedeckt sind. Auf lokaler Ebene wolle man zudem, so das Papier, “auch auf extremistische Moscheevereine” zugehen, die keine salafitischen und jihadistischen Strukturen aufwiesen. Um welche Moscheevereine es sich dabei handeln soll, veröffentlichte das Innenministerium in Hannover bisher noch nicht.

Im nächsten Schritt solle das Netz der Radikalismusprävention für potenziell gefährdete Personen auch in der Zusammenarbeit mit den Landesbehörden ausgeweitet werden. Die Bandbreite des ministeriellen Blicks reicht von “Schulen”, über “Ausländerbehörden” bis zu den “Finanzbehörden”. Diese “Kooperationspartner” sollen in die Lage versetzt werden, “Radikalisierungsprozesse in ihrem eigenem Zuständigkeitsbereich selbstständig zu erkennen”.

Darüber hinaus wolle das Ministerium sie dazu anhalten, “Radikalisierungsprozesse mit eigenen Mitteln und im Rahmen der eigenen rechtlichen Möglichkeiten entgegenzuwirken”. In so genannten “gebotenen Einzelfällen” müssten “konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person” mit den Sicherheitsbehörden ausgetauscht werden. Wie das konkret auszugestalten wäre, erklärten die ministeriellen Extremismusexperten nicht. Reicht bereits ein Besuch beim Finanzamt in orientalischer Tracht oder mit langem Bart, um im Netz der Radikalismusprävention zu landen?

Die Verhinderung der Radikalisierung gefährdeter Muslime bleibt, wenn es nach den Plänen des niedersächsischen Innenministeriums geht, nicht vor den behördlichen Grenzen stehen. Man wolle auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände “für die Gefahren des islamistischen Extremismus und Terrorismus” sensibilisieren. “Diese sollen damit in die Lage versetzt werden, Radikalisierungsprozesse im eigenen Firmenumfeld frühzeitig zu erkennen.” Natürlich werde man dafür Ansprechpartnern und Sicherheitsbeauftragten in der Wirtschaft Informationsmaterialien zur Verfügung stellen.

“Ziel aller Vorschläge und Maßnahmen ist (…) auch die muslimische Bevölkerung in Niedersachsen als Unterstützer und Partner zu gewinnen und die Öffentlichkeit insgesamt über Islamismus als politischen Extremismus zu informieren und für die Gefahren zu sensibilisieren”, hieß es in dem Papier. Zugleich solle deutlich werden, “dass muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger selbstverständlich nicht unter einem Generalverdacht stehen und nicht stigmatisiert werden dürfen”. Ob dies funktioniert, wenn zugleich angekündigt wird, ein gesamtgesellschaftliches Netz der Prävention über das Bundesland zu legen, ist durchaus fraglich. Das ständige in Zusammenhangbringen von Muslimen und potenziellen Gefährdern hat bekanntermaßen eine untergründige psychologische Wirkung.

Die Erklärung versicherte der Öffentlichkeit, dass die “Vorsitzenden bzw. Vertreter von Ditib und Schura Niedersachsen (…) über die einzelnen Vorhaben informiert” worden seien und ihre “grundsätzliche Bereitschaft” erklärt hätten.

//2//Die Entgegnung auf diese Tatsachenfeststellung folgte auf dem Fuße. Am Nachmittag des gleichen Tages erklärte der DITIB Landesverband Islamischer Religionsgemeinschaft Niedersachsen und Bremen e.V. in seiner Stellungnahme zu den “Kernaussagen des Handlungskonzepts”, dass es “grundsätzlich falsch” sei, wonach die Islamischen Religionsgemeinschaft dieses Handlungskonzept mit gestaltet oder mitgetragen hätten. Man habe überhaupt nur zufällig und “nach einer lange verstrichenen Arbeitsphase von den Arbeits- und Projektgruppen überhaupt” gehört.

Ein entscheidendes Missverständnis des Innenministers sei es gewesen, dass man die gefährdeten, junge Muslime gar nicht im Rahmen der Moscheegemeinden erreichen könne. Diese seien “nicht in unseren Moscheegemeinden anzutreffen”. Seine früheren verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen – ein Novum für die Bundesrepublik – hätten nicht nur bisheriges Vertrauen verspielt. Sie seien auch ergebnislos geblieben. Bereits damals hätte Minister Schünemann behauptet, dass diese Überwachungen in Übereinstimmung mit den Religionsgemeinschaften vonstatten gegangen sei.

“Zu berücksichtigen ist zudem, dass es abschreckend wirken wird, wenn die Federführung beim Verfassungsschutz bleibt. Leider hat dieser durch die letzten schrecklichen Ereignisse in Bezug auf den rechtsradikalen Terrorismus große Verluste an Vertrauen – nicht nur unter den Muslimen – einstecken müssen. Und wenn man den ähnlichen Weg wie beim Inlandsgeheimdienst gegen Rechtsextremisten einschlagen möchte, dann möchten wir betonen, dass dieser Schuss schon mehr als einmal nach hinten losgegangen ist.”

Die breite Masse der Muslime in Niedersachsen fühle sich derart wieder einmal unter Generalverdacht gestellt, pauschal vorverurteilt und politischem Populismus ausgesetzt. “Unter dem Deckmantel der Prävention wird hier jedoch ein breit angelegtes Denunziantentum als Netz über Gesellschaft, Wirtschaft und Institutionen gespannt und erschüttert damit das Fundament unserer Gesellschaft.”

Umstrittene Jugend-Studie: IZ-Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Frindte zu den Ergebnissen seiner Erhebung

“Vergleicht man dies mit unseren Befunden, dann haben wir an den Rändern der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Minderheit sicherlich ein problematisches Feld, dass sich wechselseitig aufschaukeln kann.”

Jena/Berlin (iz). Knapp eineinhalb Tage nach Veröffentlichung der Studie “Lebenswelten junger Muslime in Deutschland” ist die medial-öffentliche Debatte voll entbrannt. Wie bereits zuvor bildeten sich sehr schnell die Gräben zwischen Kritikern und Befürwortern der Studie. Dies ist umso erstaunlicher, als dass nur eine absolute Minderheit überhaupt das mehr als 750 Seiten lange Papier gelesen haben dürfte.

Wie einige Medien bereits am 1.3.2012 deutlich machten, ging es den Forschern nicht um eine Verallgemeinerung, vor der sie explizit warnten. Sie erklärten auch, dass die von ihnen befragten Mitglieder der muslimischen Community in Deutschland keine homogene Masse darstellten.

Um direkte Informationen über die Studie, mögliche Handlungsanweisungen und die Umstände ihrer Veröffentlichung zu erfahren, sprachen wir mit Prof. Dr. Wolfgang Frindte. Frindte arbeitet am Institut für Kommunikationsforschung der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena.

Islamische Zeitung: Heute [am 2.3.2012] beschrieb eine Tageszeitung das normale Prozedere in einem Kommentar. Normalerweise wird eine Studie veröffentlicht, über die die Medien berichten und die dann von der Politik kommentiert wird. Hier haben wir den Fall, dass zuerst die Politik kommentiert, dann eine Zeitung exklusiv darüber berichten darf und schließlich die Studie veröffentlicht wird. Kommt ihnen das ein bisschen seltsam vor?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Ja, sehr seltsam. Und zwar aus zwei Gründen:

Gestern Abend [am 1.3.2012] hatte der Innenminister im “Heute Journal” dezidiert zwei wichtige Thesen aus unserer Studie hervorgehoben. Dass die Mehrheit der deutschen Muslime sich vom islamistischen Terrorismus distanziert und dass die Mehrheit der Muslime im hohen Grade bereit, fähig und willens ist, sich in diesem Land zu integrieren, sich zu engagieren und sich in diesem Land wohl zu fühlen.

Für diese zwei Thesen bin ich ihm sehr dankbar. Aber ich denke, dass es mit einer besseren Logistik möglich gewesen wäre, dass wir – die an der Studie beteiligten Wissenschaftler und ihr Auftraggeber – die positiven Ergebnisse dieser Studie hätten besser an die Öffentlichkeit bringen können.

Zweitens hatten wir seit Mittwoch [29.2.2012] relativ schlaflose Nächte, weil vor allem meine jungen Gesprächspartner im hohen Maße erregt, enttäuscht und auch ziemlich verzweifelt waren. Sowohl bei den anonymen Interviews, als auch bei den Interviews, bei den Fokusgruppen und bei den Mehrgenerationengesprächen (wo sich drei Generationen aus einer Familie mit uns unterhalten haben) sind wir mit den Muslimen gewissermaßen einen Kooperationsvertrag eingegangen. Dieser beruht auf Vertrauen und auf Verantwortung. Und zwar beidseitig.

Die Muslime verantworten, was sie sagen, und sie sagen, was sie für richtig halten. Und wir haben die Verantwortung, damit verantwortungsbewusst umzugehen. Ein wechselseitiges Vertrauen ist dann die Grundbasis, dass man wirklich ins Gespräch kommt. Nun waren die jungen Leute, die mit den Muslimen die Gespräch geführt haben, so enttäuscht.

Wir hatten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag eine Diskussion, wonach wir uns für die einseitige Berichterstattung und Vorab-Berichterstattung bei den Muslimen entschuldigen müssten. Sie fragten, was wir jetzt tun können. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Heute ist Freitag, die jungen Leute haben Pause gemacht und wir sehen uns am Sonntag wieder. Wie wir damit umgehen, wissen wir noch nicht. Es herrscht immer noch ein großes Maß an Verzweiflung darüber, welche Art von Schaden angerichtet wurde.

Diese beiden Punkte führen mich eigentlich dazu, dass ich sagen muss, dass es nicht gut gelaufen ist.

Islamische Zeitung: Haben sie das Gefühl, dass die politisch-mediale Zone ihre Arbeit benutzt? Fühlen sie sich an diesem konkreten Fall instrumentalisiert?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Dazu kann ich eigentlich wenig sagen. Journalisten – das ist ihr gutes Recht und das ist ihre Kompetenz – suchen sich dasjenige aus einem sehr komplexen Informationsangebot heraus, was sie für wichtig halten. Diese Auswahlkriterien liegen auf der Seite der Journalisten. Bei ihnen, beim Boulevard, bei den Qualitätszeitschriften und bei anderen Medien. Das finde ich völlig normal und richtig. Man wählt sich punktuell das, was man für die eigene Philosophie und die des Mediums für richtig hält.

Ich bin froh, dass die Medien sich ab gestern Nachmittag [1.3.2012] große Mühe gegeben haben, sogar in die 750-760 Seiten lange Studie hineinzuschauen, um doch festzustellen, dass dort mehr drinsteckt. Da muss ich sagen, dass ich den verantwortungsvollen Journalisten, zu denen ich sie auch zähle, sehr dankbar bin.

Islamische Zeitung: Sind muslimische Jugendliche problematischer als vergleichbare, nichtmuslimische Altersgenossen?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Das kann ich zunächst einmal auf der Basis unserer Ergebnisse nicht sagen. Nehmen wir einmal diese Zahl, die auch durch die Presse ging: 15 Prozent der deutschen Muslime, 24 Prozent der nichtdeutschen Muslime gehören sozusagen zu dieser problematischen Gruppe.

Seit zehn Jahren gibt es die Zahlen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit vom Kollegen Heitmeyer aus Bielefeld. Da weiß man seit einigen Jahren, dass sich das, was die Bielefelder als “Islamfeindlichkeit” erforschen, in der Gesamtbevölkerung um die 20 bis 25 Prozent aufhält. Diese “Islamfeindlichkeit” zeigt sich, wenn diese 20 bis 25 Prozent der Deutschen keine Muslime in ihrer Nachbarschaft haben wollen oder die Zuwanderung von Muslimen untersagt werden sollte.

Vergleicht man dies mit unseren Befunden, dann haben wir an den Rändern der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Minderheit sicherlich ein problematisches Feld, dass sich wechselseitig aufschaukeln kann.

Aber unsere Ergebnisse müssten eigentlich genutzt werden, um das, was ich immer wieder betone – Integration als Wechselseitigkeit zu begreifen und Probleme zu lösen -, zu leisten. Es handelt sich dabei ja nicht nur um eine Forderung an Migrantinnen und Migranten oder, in unserem Fall, an Musliminnen und Muslime. Es ist eine gleichzeitige Forderung, die sich auch an die deutsche Mehrheitsgesellschaft richtig – was Risiken schafft oder Chancen eröffnet. In der Ausbildung, bei Arbeitsplätzen, bei der Partizipation, im Erlernen der deutschen Sprache als wichtigem Instrument, um mit Kultur umzugehen.

Islamische Zeitung: Was wäre nötig, um die Debatte auf eine sachliche Ebene zu heben?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Ich war gestern schon etwas enttäuscht darüber, dass Politiker und Politikerinnen aus ganz unterschiedlichen Parteien die Studie ablehnten. Ich dachte mir: Die konnten sie doch noch gar nicht gelesen haben. Sie haben sich nur die vorab veröffentlichte Meldung bezogen. Das hat mich traurig gemacht.

Wir haben die Studie natürlich auch für die wissenschaftliche Gemeinde geschrieben, sie aber vorrangig im Auftrage der Politik verfasst. Ich würde mir wünschen, dass sich die Politiker und Politikerinnen inhaltlich mit den Ergebnissen unserer Studie auseinandersetzen. Sie wurde extra so aufgebaut, dass unserem Auftraggeber die Ergebnisse nicht nur in Form der Presseerklärung vorliegen, sondern es gibt – in dem Bericht und als Extra-Exemplar – eine Zusammenfassung, die etwas 32 Seiten umfasst. Ich denke mir, dass diese Politiker, die sich auf diesem Feld engagieren, doch in der Lage sein müssten, 32 Seiten zu lesen. Wenn sie diese nicht verstehen, sind wir immer gerne zu einem Dialog mit den Politikern bereit.

Am Ende dieses Berichts haben wir eine Reihe von Vorschlägen formuliert. Ich gebe gerne zu: Das sind Vorschläge für die Politik, die von naiven Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen formuliert wurden. Man kann unsere Lösungsvorschläge in Frage stellen oder neue formulieren, aber ich würde mir wünschen, dass sich erst einmal mit den Ergebnissen und der Vorgehensweise der Studie befasst wird.

Islamische Zeitung: Es gab [am 1.3.2012] eine schnelle Reaktion aus dem nordrhein-westfälischen Integrationsministerium. Was sagen sie zu der NRW-Kritik? Haben sie das Gefühl, dass hier Wissenschaft politisiert wird?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Ich muss gestehen, dass ich gestern so viel zu tun hatte, sodass ich diese Stellungnahme noch nicht gelesen habe.

Islamische Zeitung: Haben sie einen Rat für die Muslime, wie sie mit den Ergebnissen der Studie umgehen sollen?

Prof. Dr. Wolfgang Frindte: Der größte Teil derjenigen, die es betrifft, und die es zur Kenntnis genommen haben, sagen sich offenbar: Mag sein, dass es das gibt, aber auf mich trifft das nicht zu. Ich gestalte mein Leben nach meinen Vorstellungen oder nach denen meiner Gemeinschaft. Das ist auch gut so.

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Frindte, vielen Dank für das Gespräch!

Kommentar: Kampf gegen Extremismus, aber wie? ZMD stößt eine Debatte an. Von Khalil Breuer

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Interview: Wie reagieren Muslime in Großbritannien auf angebliche Verbindungen des Stockholmer Attentäters?

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