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Rafah: USA fordern Schutz von Zivilisten

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Screenshot: YouTube, Channel 4

Gaza/Washington/Kairo (dpa/IZ) Israel hat vor seiner geplanten Militäroffensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge die Unterbringung der Hunderttausenden Bewohner der Stadt in ausgedehnten Zeltlagern vorgeschlagen.

Wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht Israels Vorschlag einer Evakuierung der mit mehr als einer Million von Binnenflüchtlingen überfüllten Stadt die Einrichtung von 15 Lagern mit jeweils rund 25.000 Zelten im südwestlichen Teil des abgeriegelten Küstengebietes vor. US-Präsident Joe Biden mahnte erneut eindringlich den Schutz der Zivilbevölkerung in Rafah an. Derweil sollen einen Tag nach Israels heftigen Luftangriffen in der Gegend und der Befreiung zweier Geiseln aus der Gewalt der Hamas israelischen Medien zufolge die Verhandlungen über eine erneute Feuerpause und Freilassung weiterer Geiseln in Kairo weitergehen. 

Hilfsorganisationen: Katastrophale Zustände im Süden

Die schweren Kämpfe im Süden des Gazastreifens dauern währenddessen an. Laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde binnen 24 Stunden wurden 133 Palästinenser getötet. In dem Zeitraum seien 162 weitere verletzt worden, teilte die Behörde am Dienstag mit.

Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober beläuft sich demnach die Zahl der getöteten Einwohner des Küstenstreifens auf mindestens 28.473. Rund 68.150 weitere seien verletzt worden.

Hilfsorganisationen beschreiben unterdessen katastrophale Zustände im Süden des Gazastreifens, wo seit Wochen die heftigsten Kämpfe toben. In Chan Junis kam nach Angaben von Anwohnern auch immer wieder das Nasser-Krankenhaus unter Feuer. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte bereits am Samstag mitgeteilt, zwei Menschen seien durch Schüsse auf die Klinik getötet und fünf weitere verletzt worden. „Medizinische Mitarbeiter haben Angst, sich in und um das Krankenhaus zu bewegen, aus Sorge, sie könnten erschossen werden“, hieß es in der Mitteilung.

Biden verlangt Schutz der Menschen in Rafah 

Gut vier Monate nach Beginn des Gaza-Krieges sieht Israel Rafah als letzte Bastion der Hamas und plant dort nun eine Militäroffensive, was international jedoch Kritik und große Besorgnis auslöst. Ein solches Vorgehen dürfe „nicht ohne einen glaubwürdigen Plan zur Gewährleistung der Sicherheit und Unterstützung von mehr als einer Million Menschen, die dort Schutz suchen, stattfinden“, sagte Biden nach einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. im Weißen Haus. Viele Menschen dort seien von anderen Orten mehrfach vertrieben worden, auf der Flucht vor Gewalt im Norden des Küstengebietes. 

Jordaniens König: Dieser Krieg muss aufhören 

Jetzt seien sie in Rafah „zusammengepfercht, ungeschützt und wehrlos“, sagte Biden und forderte: „Sie müssen geschützt werden“. Die US-Regierung habe zudem von Anfang an deutlich gemacht, dass sie gegen jede Zwangsvertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen sei. König Abdullah warnte mit deutlichen Worten vor einer Offensive. „Wir können uns einen israelischen Angriff auf Rafah nicht leisten. Er wird mit Sicherheit zu einer weiteren humanitären Katastrophe führen“, sagte er. Die Situation sei bereits unerträglich für die mehr als eine Million Menschen, die dort Schutz suchen. Er forderte einen sofortigen, dauerhaften Waffenstillstand. „Dieser Krieg muss aufhören.“

Auch Deutschland hatte Israel zuvor erneut eindringlich zum Schutz der Zivilisten in Rafah aufgerufen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte am Montag in Berlin, es gelte, was Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon am Wochenende erklärt habe: Bevor es zu weiteren größeren Offensiven auf Rafah gegen die Hamas kommen sollte, müsse Israel klar darlegen, „wo und wie diese Menschen Schutz finden können – und zwar effektiven Schutz finden können“.

UN-Sprecher: Beteiligen uns nicht an Vertreibung 

Israels Regierung hat die in der Region tätigen UN-Organisationen dazu aufgefordert, bei der Evakuierung von Zivilisten aus Rafah zu helfen. Alles, was im südlichen Teil der Region an der Grenze zu Ägypten passiere, müsse unter voller Achtung des Schutzes der Zivilbevölkerung stattfinden, sagte dazu UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Montag in New York. „Wir werden uns nicht an der Vertreibung von Menschen beteiligen“. Zudem stellte er infrage, dass es in anderen Gebieten Gazas sichere Zufluchtsstätten gebe, auch angesichts der vielen Blindgänger. Laut dem „Wall Street Journal“ hat Israel seinen Vorschlag zur Errichtung von Zeltstädten in den vergangenen Tagen Ägypten unterbreitet. Das an Rafah grenzende Land wäre demnach für die Einrichtung der Lager und der Feldlazarette zuständig, hieß es.

Türkei wirft Israel Vertreibung vor 

Ägypten fürchtet für den Fall einer Militäroffensive auf Rafah, dass es zum Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai kommen könnte. Die Türkei hat Israel nach dessen Angriffen im Raum Rafah vom Montag eine gezielte Vertreibung von Palästinensern vorgeworfen. „Wir betrachten diese Operation als Teil eines Plans zur Vertreibung der Menschen in Gaza aus ihrem eigenen Land“, teilte das Außenministerium in Ankara am Montag mit. Man sei „äußerst besorgt“ über die zunehmenden Angriffe in der Region Rafah. Damit werde die humanitäre Tragödie in Gaza noch verschärft und Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand in der Region untergraben, hieß es. 

Ägypten, Katar und die USA bemühen sich derzeit erneut darum, eine längere Feuerpause im Gaza-Krieg herbeizuführen. Im Rahmen eines Abkommens sollen in mehreren Phasen die noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel ausgetauscht werden. Die Verhandlungen kommen derzeit nur schleppend voran, sollen aber israelischen Medienberichten zufolge nun in Kairo fortgesetzt werden.

Gericht in Den Haag verbietet Lieferung von Ersatzteilen an Israel

Die Niederlande dürfen laut Urteil eines Gerichts in Den Haag vorerst keine Ersatzteile des Kampfflugzeuges F-35 mehr an Israel liefern. Dazu meint die niederländische Zeitung „de Volkskrant“: 

„Die Entscheidung des Gerichts reflektiert das Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, der Ende Januar befand, dass Israel einen Völkermord vermeiden und mehr humanitäre Hilfe zulassen muss. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Befugnis der Regierung, politische Entscheidungen frei zu treffen, und ihren Verpflichtungen aus internationalen Verträgen. Durch die Lieferung von F-35-Ersatzteilen sind die Niederlande an der Bombardierung von Zivilisten im Gazastreifen beteiligt. Das ist inakzeptabel, insbesondere angesichts der Gefahr einer weiteren humanitären Katastrophe in Rafah. 

Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung, es sollte aber keine unverhältnismäßige Gewalt gegen Zivilisten anwenden. Darauf hat Premierminister Mark Rutte Israel erneut mit mäßigenden Worten hingewiesen. Es ist aber an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Ein Exportverbot für F-35-Ersatzteile ist ein solcher Akt, der Israel deutlich macht, dass die Niederlande sein Vorgehen tatsächlich nicht mehr akzeptieren.“