Die islamischen Gebiete Spaniens waren berühmt für ihren kulturellen Glanz. Sie sind bekannt für Jahrhunderte dauernde Koexistenz zwischen Muslimen, Juden und Christen. Heute sind die beliebtesten (und am häufigsten besuchten) Städte dieser alten Königreiche Granada, die Heimat der Alhambra, und Cordoba, Sitz der atemberaubenden Mezquita (Moschee) mit ihrem Wald rot-weißer Bögen. Aber Sevilla – heute eine ausufernde, moderne Großstadt – verdient es, wegen ihres, vom Islam beeinflussten Erbes beachtet zu werden. Von Sara Irving
(TMO). Das bekannteste Relikt der islamischen Vergangenheit Sevillas ist La Giralda, das überragende Minarett der Moschee aus dem 12. Jahrhundert, die nach der Eroberung durch König Ferdinand im Jahre 1248 in eine Kathedrale verwandelt wurde. Mit mehr als hundert Metern Höhe war sie einst der höchste Turm der Welt. Der Kutubijja, dem Minarett der Moschee von Marrakesch, entlehnt, findet sie ihr Gegenstück im Minarett der unvollendeten Moschee von Rabat. Sein Sohn Alfonso versuchte, Sevilla zu einem Zentrum für arabische Gelehrsamkeit und Übersetzungen zu machen, hatte aber das Nachsehen gegenüber Toledo.
Des Nachts wird La Giralda mit goldenem Licht angestrahlt. Es überragt das geschäftige Nachtleben der Altstadt Sevillas, deren Gassen den Besucher an ihren ursprünglichen Charakter als Souk erinnern. Nur wenige Augenblicke entfernt – nah genug für die frühen muslimischen und christlichen Herrscher, ihren Ort der Anbetung durch einen privaten Tunnel zu erreichen – liegt der Platz, an dem verschiedene Generationen ihre königlichen Residenzen hatten; sowohl die Dynastie der Almohaden, als auch spätere christliche Könige. Hier liegt der spektakuläre Palast Alcazar.
Sein Name ist eine Verballhornung des arabischen Al-Qasr (Palast). Unter seinen kunstvollen Stuckarbeiten finden sich viele arabische Inschriften wie „wa la ghalib ill’Allah (Es gibt keinen Sieger, außer Allah)“. Dies ist ein Echo der Pracht in der Alhambra von Granada. Seine Kachelarbeiten sind ein Beispiel des muslimischen Designs von Andalusien. Ein normaler Besucher würde niemals erraten, wenn er durch die Höfe des Alcazars wandelt, dass der jetzige Palast von einem christlichen König in Auftrag gegeben wurde. Die Residenz, auch wenn sie auf Strukturen errichtet wurde, die bis zur ‚umaijadischen Periode des 10. Jahrhunderts zurückreichen, wurde von Handwerkern gebaut, die Generationen brauchten, um die Alhambra zu schaffen. Später wurden sie vom christlichen König Pedro der Grausame nach Westen gelockt.
Ibn Khaldun, der berühmte Geschichtsphilosoph, dessen Vorfahren einst aus Sevilla auswanderten, besuchte die Stadt auf einer Andalusienreise zwischen 1364 und 1365, als die prächtigen Stuckarbeiten des Alcazars gerade getrocknet waren. Obwohl Pedro der Grausame versuchte, ihn zum Bleiben zu bewegen, indem er ihm die alten Grundstücke seiner Familie versprach, richtete sich sein Interesse dem einzigen verbleibenden muslimischen Gebiet Spaniens zu: Granada.
Der Alcazar steht für eine Phase, in der selbst christliche Herrscher noch ein gedeihliches Nebeneinander von Christen, Juden und Muslimen zuließen. Jahrhundertelang förderte der Flickenteppich von muslimischen und christlichen Gebieten, die rivalisierenden Taifas, eine lebendige künstlerische Landschaft. In diese Phase fallen Granadas Alhambra, aber auch die Alcazares von Sevilla, Segovia und Carmona. Vergessen werden darf aber auch nicht die handwerkliche Tradition der Mudejares, die trotz der christlichen Eroberung Spaniens im Jahre 1492 weiterlebte. Auch Jahrzehnte nach dem Fall Granadas lebte dieser arabisierende Stil fort.
Nach Ansicht von Prof. Maria Luise Fernandez von der Universität Caracas strahlte die Stärke der muslimischen Kunst bis nach Lateinamerika aus. Das Mudejar-Design fände sich in der spanischen Kolonialarchitektur von Mexiko-Stadt, Quito und Caracas. Das gleiche gilt für den ornamentalen Kachelstil der „Azulejo“, der von den Arabern übernommen wurde. (TMO)