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Verratene Visionen nach der Indischen Unabhängigkeit

Vor 75 Jahren wurden Indien und Pakistan unabhängig. Aus der Vision einer vielfältigen Gesellschaft beider Gründerväter wurde nichts – stattdessen sorgt heute religiöser Nationalismus für Gewalt und Konflikte. (KNA). Vor […]

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Die vergessenen Muslime von Kaschmir

Entgegen mehrerer UN-Resolutionen hält Neu-Delhi Kaschmir seit der Teilung Indiens besetzt. Die Menschen lehnen seine Herrschaft ab. Von Ahmed Bin Qasim (Yaqeen Institute). Vor ein paar Tagen rief meine Mutter, […]

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Tausende Afghanen stehen auf Wartelisten für Familiennachzug

Berlin (KNA). Mehr als 4.000 afghanische Staatsbürger haben vor Beginn der Luftbrücke in Kabul auf einen Termin in deutschen Auslandsvertretungen für ein Visum zum Familiennachzug gewartet. Mit Stand 16. August hätten sich „auf den Terminlisten der Botschaften für den Familiennachzug insgesamt für die Beantragung in Islamabad 2.775 Personen (davon 791 zu subsidiär Schutzberechtigten) und für Neu Delhi 1.388 Personen (davon 196 zu subsidiär Schutzberechtigten) registriert“, hieß es auf Nachfrage der Zeitungen der Funke Mediengruppe aus dem Auswärtigen Amt.

Insgesamt warteten demnach Mitte August noch 4.163 afghanische Staatsbürger auf einen Termin zur Familienzusammenführung. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu Anfang Mai 2021. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion warteten damals in Islamabad knapp 1.879 Afghanen auf einen Termin für den Familiennachzug, in Neu Delhi waren es 1.138.

Unklar ist, wie viele dieser Menschen in den vergangenen Tagen mit Hilfe von internationalen Rettungsfliegern aus Afghanistan ausgeflogen worden sind. In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben grundsätzlich das Recht, ihre engsten Angehörigen, etwa Ehegatten und Kinder, über das Verfahren zum Familiennachzug nach Deutschland zu holen.

Seit dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft 2017 in Kabul laufen die Visaverfahren für afghanische Staatsangehörige zum Familiennachzug in den deutschen Auslandsvertretungen in Pakistan und Indien. Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion beträgt die Wartezeit für einen Termin zur Familienzusammenführung etwa im pakistanischen Islamabad sowie im indischen Neu Delhi „über ein Jahr“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat angekündigt, in den kommenden Tagen in die Region zu reisen. Maas hatte unlängst mit Blick auf die dramatische Lage in Afghanistan zudem versprochen, die „Kapazitäten unserer Visastellen in Islamabad, Neu Delhi, Taschkent“ aufzustocken und die „Möglichkeiten der zentralen Visabearbeitung im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten voll zu nutzen“.a

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Hintergründe zu den geopolitischen Folgen des Machtwechsels in Afghanistan

Frieden

Der Westen ist auf dem ersten Blick der große Verlierer des Machtwechsels in Kabul. Die Taliban dürften aber an Hilfen und Waren interessiert sein. Während China und die Türkei auf mehr Einfluss hoffen, ist die Lage für Indien äußerst knifflig. Von dpa-Korrespondenten

Berlin (dpa). Der Umsturz in Afghanistan kam plötzlich, seine Folgen für die Menschen vor Ort sind dramatisch. Außenpolitisch wird sich für viele Staaten nach den hektischen Rettungsaktionen dieser Tage die Frage stellen: Wie weiter mit diesem Land, in dem nun eine militante Gruppe über die Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen entscheidet? Ist Kooperation möglich oder ist die Isolierung Afghanistans im globalen Konzert der Mächte angesagt? Während die USA erstmal schnell weg wollen vom Hindukusch, sinnen China und die Türkei auf mehr Einfluss in der Region. Für Indien könnte sich der Machtwechsel derweil zu einem herben Schlag für die globalen Einflussmöglichkeiten erweisen. Ein Überblick über die Interessen der einflussreichsten Mächte:

USA

Die Vereinigten Staaten sind derzeit mit ihrer Evakuierungsmission und mit der Debatte über das Scheitern des Einsatzes beschäftigt. Weitere Pläne zum künftigen Umgang mit dem neuen Taliban-Regime werden derzeit noch nicht öffentlich diskutiert. Der Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man stehe im Kontakt mit anderen Regierungen, um sich über ein weiteres Vorgehen in der sich entwickelnden Lage abzustimmen.

US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, sich weiterhin „für die Grundrechte des afghanischen Volkes“ einzusetzen, insbesondere erwähnte er die Rechte der Frauen und Mädchen. Offen ließ er, wie das Engagement der USA – die bei den neuen Machthabern in Kabul keinen Einfluss mehr haben – konkret aussehen soll.

Russland

In Russland sind die Taliban zwar als Terrororganisation verboten. Trotzdem gab es zuletzt auch in Moskau offizielle Verhandlungen mit Vertretern der militanten Gruppierung. Außenminister Sergej Lawrow sagte, dass mit den politischen Kräften der Taliban, aber nicht mit Terroristen gesprochen werde. Ob Russland die neue Führung in Kabul anerkennt, ließ er offen. Der russische Botschafter in Kabul, Dmitri Schirnow, traf sich in dieser Woche mit Taliban-Vertretern und sprach von konstruktiven Gesprächen. Die Botschaft arbeitet weiter.

Russland agiert allerdings auch im Rückblick auf seinen 20-jährigen Afghanistan-Krieg zu Sowjetzeiten abwartend. Moskau sichert vor allem den um ihre Sicherheit besorgten zentralasiatischen Staaten – allen voran Tadschikistan und Usbekistan – Unterstützung zu. In Tadschikistan beteiligte sich Russland in diesem Sommer auch an Manövern zur Abwehr eines möglichen Einmarsches der Taliban. Verhindern will Russland außerdem, dass die USA nun in Zentralasien Militärstützpunkte errichten. Moskau sieht die Region auch 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als sein Einflussgebiet.

China

Peking sucht Stabilität in Afghanistan und will vermeiden, dass das Nachbarland ein Nährboden für Terrorismus wird. Es fürchtet sonst negative Auswirkungen auf die angrenzende, muslimisch besiedelte Region Xinjiang in Nordwestchina oder Projekte seiner Infrastruktur-Initiative der „Neuen Seidenstraße“ in Zentralasien oder auch Pakistan. So hatte sich Peking schon mit den Taliban arrangiert, noch bevor sie in Kabul die Macht übernommen haben.

Um frühzeitig Pflöcke einzuschlagen, bereitete Außenminister Wang Yi einer ranghohen Taliban-Delegation am 28. Juli in Tianjin einen großen Empfang und wertete die Gotteskrieger international diplomatisch auf. China werde sich nicht in Afghanistan einmischen, versprach Wang Yi. Aber die Taliban müssten „klar“ mit allen terroristischen Gruppen und auch Separatisten brechen, die in Xinjiang für eine Unabhängigkeit des früheren Ostturkestans kämpften.

Taliban-Mitbegründer Mullah Abdul Ghani Baradar nannte China einen „vertrauenswürdigen Freund“. Er hoffe, dass China beim Wiederaufbau in Afghanistan eine wichtige Rolle spielen könne. Anders als die USA und Russland kann China in Afghanistan als Mitspieler ohne belastende kriegerische Vergangenheit auftreten. Als finanzstarke Regionalmacht, ständiges Mitglied mit Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat, Freund der Russen und Rivale der USA könnte China für die Taliban ein wichtiger Kooperationspartner werden – der ihnen auch kein anderes politisches System aufzwingen will.

Iran

Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi ist noch unsicher, ob sie sich über den Machtwechsel im Nachbarland freuen soll oder nicht. Zwar ist der Erzfeind USA vorerst weg aus der Nachbarschaft, aber die Taliban als Nachfolger wollte man auch nicht unbedingt. Raisi hofft auf eine nationale Einigung im Rahmen interner Verhandlungen zwischen den afghanischen Gruppen, um so die Zusammenarbeit weiterzuführen. Für Beobachter mehr Wunschdenken als strategische Überlegung.

Für viele im Iran sind die Taliban immer noch radikale Sunniten, für die der schiitische Iran ein religiöser Erzfeind ist und bleiben wird. Auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ist angesichts der chaotischen Zustände in Afghanistan zumindest kurzfristig unrealistisch. Sorge gibt es vor einer Flüchtlingswelle wie 1979 nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan. Eine solche könnte der Iran derzeit wegen der akuten Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie kaum verkraften.

Indien

Wie die Regierung in Neu Delhi künftig zu einer Taliban-Regierung stehen wird, ist derzeit unklar. Bislang hatte das Land gute Beziehungen zu Afghanistan, in den vergangenen 20 Jahren wurden rund drei Milliarden Dollar in Entwicklungshilfeprojekte investiert. Diese großen Investitionen in die alte Regierung dürften nun gefährdet sein. Chinas Erzfeind Pakistan, in dem ebenfalls Taliban aktiv sind, dürfte hingegen eine stärkere Rolle in Afghanistan bekommen – was wiederum die Terrorgefahr in der indisch-pakistanischen Grenzregion Kaschmir erhöhen könnte.

Indien hat auch mit seinem anderen Nachbarland China angespannte Beziehungen – und da auch die Volksrepublik künftig eine größere Rolle in Afghanistan spielen dürfte, steht es um die geopolitische Lage Indiens in Südasien nun eher schlecht.

Türkei

Ankara schlägt nicht erst seit der Machtübernahme Taliban-freundliche Töne an. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte bereits wiederholt seine Bereitschaft, Taliban-Anführer in Ankara zu empfangen. Man habe nichts gegen den Glauben der Taliban, sagte Erdogan der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Man stehe Afghanistan in guten und in schlechten Zeiten bei.

Vor der Machtübernahme der Taliban wurde vielfach diskutiert, inwiefern die Türkei nach dem Ende der Nato-Mission weiterhin den internationalen Flughafen sichern könnte. Ankara zeigte und zeigt sich dazu bereit. Analysten bewerteten das als Versuch des außenpolitisch weitgehend isolierten Landes, die Beziehungen zu den USA und anderen Ländern zu verbessern und den Einfluss in der Region auszubauen. Wie das Land dieses Interesse unter den neuen Umständen zu verwirklichen versuchen könnte, ist derzeit noch offen.

Über den Iran kommen seit Jahren viele geflüchtete Menschen aus Afghanistan in die Türkei. In der Bevölkerung haben die Nachrichten aus Afghanistan in den vergangenen Wochen häufig flüchtlingsfeindliche Rhetorik provoziert. Die Opposition im Land nutzt das Thema, um Stimmung gegen Erdogan zu machen.

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Oman: Durch Handel war Maskat mit der Welt verbunden

Jahrtausendelang war Maskat näher an Indien, Persien und Ostafrika als am arabischen Binnenland. Und es waren diese Verbindungen, die es am Leben hielten. Im Suq der Stadt mischen sich Arabisch, […]

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Das „Gujarat-Modell”: Blühende Landschaften und Muslime hinter Mauern

Narendra Modi ist in Indien ein Politikstar – und wahrscheinlich der nächste Premierminister. Er vermarktet sich als Macher, der die Wirtschaft in seinem Bundesstaat Gujarat zum Blühen bringt. Von der Ausgrenzung der Muslime und Armut dort spricht er nicht.

Neu Delhi (dpa). «Entwicklung» ist eines der Lieblingswörter von Narendra Modi. «Wandel» ein anderes. Und auch «Investitionen». Der 63-Jährige greift gerade nach dem wichtigsten Amt in Indien und möchte das Milliardenland tatkräftig umkrempeln: Straßen und Stromleitungen bauen, Geld aus dem Ausland anlocken, die grassierende Korruption eindämmen, dringend benötigte Jobs schaffen.

Wenn Modis Partei BJP – wie alle Prognosen voraussagen – am Freitag die Mehrheit im indischen Unterhaus bekommt, kann er loslegen. Dann, so lautet die Hochrechnung von Modi, werde der ganze Subkontinent so aufblühen wie der Bundesstaat Gujarat, den er seit zwölf Jahren regiert. Doch umfasst das «Gujarat-Modell» nicht nur Fabriken und Hochhäuser. Es steht auch für zerstörte Umwelt, protestierende Bauern und eine tiefe Spaltung der Gesellschaft.

In Ahmedabad, der größten Stadt Gujarats, lebt die muslimische Minderheit in strikt abgegrenzten Ghettos. Allein im Viertel Juhapura wohnt fast eine halbe Million Menschen, im Norden von den Hindus durch eine kilometerlange, mit Stacheldraht besetzte Mauer getrennt. Direkt an der «Grenze» lebt Imam Khan. Doch sicher fühlt er sich deswegen nicht. «Es gibt keinen Schutz für Muslime in diesem Land», sagt er.

Die Mauer wurde vor mehr als 20 Jahren gebaut. Denn 1992 gab es blutige Kämpfe zwischen Hindus und Muslimen. Mal wieder. Schon bei den großen Massakern 1969 und 1985 wurden in Gujarat jeweils Hunderte Menschen ermordet, und auch davor, zwischendrin und danach flammte die Gewalt immer wieder auf. «In keinem anderen indischen Bundesstaat starben in den vergangenen Jahrzehnten mehr Menschen durch religiöse Unruhen», sagt die Soziologin Raheel Dhattiwala. Dabei wurde Mahatma Gandhi, die Ikone der Gewaltlosigkeit, in Gujarat geboren.

Imam Khan lebt seit 40 Jahren an dem Ort, den die Hindus in Ahmedabad heute abfällig «Klein Pakistan» nennen. Damals, erzählt er, habe die Gegend rund um sein Haus nur aus Feldern und kleinen Dörfern bestanden. Zu Fuß sei er, der Muslim, zu den Hindus hinüber gelaufen. «Ich war sogar ein Treuhänder ihres kleinen Tempels», sagt er. Heute lebten sie in zwei verschiedenen Welten. Das gilt auch für die Infrastruktur: Die Leitungen für Wasser, Abwasser und Gas enden an der Mauer. «Auf dieser Seite haben wir nichts.»

Seine schlimmsten Erinnerungen stammten aus dem Jahr 2002, kurz nachdem Modi die Regierungsgeschäfte in Gujarat übernahm, sagt Khan. Damals wurden hinter der Mauer gerade moderne, mehrstöckige Gebäudekomplexe gebaut, die heute weit über sein Haus emporragen. «Von den Rohbauten aus attackierten sie uns. Mit Säure-Bällen, Benzin-Bomben und Steinen. Wir trauten uns kaum aus dem Haus, nachts konnten wir kein Licht machen. Monatelang ging das so.»

Die Unruhen von 2002 tobten nicht nur in Juhapura, sondern an Hunderten Orten in Gujarat. Mehr als 1000 Menschen wurden getötet, die meisten davon Muslime, Mobs raubten ganze Viertel aus, mehr als 100 000 Menschen mussten in Lager fliehen. Soziologin Dhattiwala, die ihre Doktorarbeit zu den Unruhen verfasste, nennt sie «Pogrome». «Weil sie nicht spontan waren, sondern vom Staat gelenkt wurden.» Modis hindu-nationalistische BJP profitierte von dem Hass: Seit 2002 gewann sie alle Wahlen in Gujarat mit absoluter Mehrheit.

Naroda Patiya war eines der am schlimmsten betroffenen Viertel. «Ein Mob von 5000 Menschen sammelte sich am Highway 8, vor der alten Moschee. Sie riefen: “Tötet sie alle, verbrennt sie bei lebendigem Leib”», erinnert sich Master Nazir, der örtliche Lehrer. Dann seien sie, mit Macheten und Benzinkanistern in den Händen, auf das Viertel zugestürmt – angestachelt von Politikern, angeführt von Polizisten.

«Einer schlitzte einer schwangeren Frau den Bauch auf. Er spießte das Baby auf und hielt es triumphierend in die Luft», erzählt Nazir weiter. «Eine 75 Jahre alte Frau wurde von ihrer Terrasse geschmissen, dann ihr Körper auf eine Rikscha geworfen und dort verbrannt. Junge Frauen wurden auf offener Straße vergewaltigt.» 101 Menschen seinen gestorben, darunter ein guter Freund von ihm, der eine Polizeikugel abbekam.

«Eine solche Tragödie kann man nicht einfach vergessen», sagt er. Trotzdem hat Nazir keine Rachegelüste. Die 50 Hindus, die schon vor dem schrecklichen 28. Februar 2002 in Naroda Patiya lebten, wohnen noch immer im Viertel – ganz anders als in zahlreichen Hindu-Gegenden, in denen selbst reiche Muslime keine Wohnung bekommen. Die Hindu-Kinder gingen auf seine Schule, sagt Nazir.

Gegenüber der Schule, neben den Ziegen und Hühnern, die im Schatten der einfachen Häuser leben, steht eine kleine Fabrik. Dort stellen muslimische Arbeiter die heiligen Fäden her, die Priester den Hindus im Tempel ums Handgelenk binden. «Unser Erkennungszeichen als Menschen ist nicht die Religion, es ist das Blut. Und das ist bei uns allen rot», sagt Nazir.

Überall in Ahmedabad erheben Muslime die Forderung, die Regierung solle den Austausch zwischen den Religionen fördern. Und endlich die zugesagten Entschädigungsgelder für die Opfer der Gewalt zahlen. «Aber Modi kümmerte sich nie um uns», sagt Nazir. Im ganzen Umkreis gebe es keine Schule und kein Krankenhaus, und die meisten Straßen sind nicht geteert. «Was hat Modi denn bitte für die normalen Menschen getan, obwohl er immer von seinem “Gujarat-Modell” spricht?»

Dieses Modell bedeutet meist zweistelliges Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren, während Gesamt-Indien zuletzt auf unter fünf Prozent einbrach. Es steht für schnelle Genehmigungen statt jahrelanger bürokratischer Hürdenläufe. Für klare Regeln statt Korruption. Und vor allem für offene Türen für Investoren.

Eine besonders beliebte Geschichte geht so: Der indische Autohersteller Tata Motors stieß beim Bau seiner Nano-Fabrik in Westbengalen auf enorme Proteste. Die Bauern wehrten sich mit Händen und Füßen, ihr Land für die Fabrik herzugeben. Schließlich machte Tata einen Rückzieher. Nur wenige Stunden später erhielt Ratan Tata, der damalige Chef der Tata-Gruppe, eine SMS von Modi: «Willkommen in Gujarat». Nach wenigen Tagen war der Land-Deal vollzogen. Und Ford, Peugeot und Maruti Suzuki folgten bald.

«Modi ist überzeugt davon, dass alle Menschen davon profitieren, wenn die Wirtschaft brummt», sagt Yamal Vyas, Sprecher der BJP in Gujarat. Um dieses Unternehmertum zu fördern, habe er für eine ununterbrochene Stromversorgung und gute Straßen gesorgt. Auch die Verwaltung funktioniere tadellos, weil Modi so fokussiert arbeite und anleite. «Er sagt niemals “vielleicht”, sondern immer “ja” oder “nein”.»

Analysten jedoch meinen, dass diese große persönliche Kontrolle auch Probleme mit sich bringe. Niemand traue sich mehr, Projekte zu kritisieren, auch wenn sie totaler Blödsinn seien, meint etwa Rajiv Shah vom Zentrum für soziale Gerechtigkeit. So sollte etwa die «intelligente Stadt» Dholera entstehen, eine Metropole, doppelt so groß wie Mumbai, voller glänzender Hochhäuser, die an Shanghai oder Singapur erinnern. «Doch bis heute ist das nur karges Land, es gibt kaum Investoren», sagt er.

Auch GIFT, die «Gujarat Internationale Finanz-Technologie-Stadt», besteht bislang nur aus zwei Häusern – die auch noch zum Großteil leer stehen. «Welches große Finanzinstitut will denn seine Büros nach Gujarat bringen?», fragt Shah. Der Modi-Vertraute Jay Narayan Vyas hingegen meint, die Planung sei gut gewesen, Investoren hätten kommen wollen, nur habe ihnen die weltweite Finanzkrise dann einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Wie so oft in Gujarat gibt es eben viele Antworten auf eine Frage. Schulbildung? 99 Prozent beginnen in der Grundschule, aber besonders viele Kinder scheiden nach nur wenigen Jahren aus. Unterernährung bei Kindern? Liegt bei 41 Prozent, und damit über dem Durchschnitt in Indien, doch gibt es in Gujarat eben auch schwer zu erreichende Stammesvölker, Wüstendörfer und arme Küstenbewohner. Florierende Wirtschaft? Ist Modis Steckenpferd, war aber schon in den Jahrzehnten zuvor ziemlich ausgeprägt.

«Modi gibt Tonnen an Geld aus, um die Entwicklung Gujarats als seinen persönlichen Erfolg zu preisen», sagt der lokale Journalist R.K. Mishra. Modi rede immer von Fortschritt, aber dabei polarisiere er das Land. Unter dem wilden Fabrikwachstum litten die Bauern, denen Land weggenommen würde, sowie die Umwelt, auf die niemand mehr Rücksicht nehme. «Doch Modi ist wie ein Magier, er kann es dennoch allen verkaufen.»

Während des Wahlkampfes sagte Modi in der heiligen Stadt Varanasi: Wenn ihr mich wählt, werde ich den Ganges so saubermachen wie den Fluss Sabarmati in Gujarat. Wer jedoch an dessen Ufer steht, auf einer bombastischen Betonpromenade in Ahmedabad, sieht eine braune, stinkende Brühe. Der Sabarmati, das zeigen Daten der Zentralen Umweltschutzbehörde, gehört zu den dreckigsten Flüssen Indiens.

Erst langsam wächst in Indien ein Bewusstsein gegen Zwangsheirat

Bangkok (KNA). Bereits gut siebeneinhalb Millionen Mal ist auf Youtube das Video der elfjährigen Nada al Ahdal angeklickt worden. Das Mädchen aus dem Jemen schildert darin ihren Widerstand gegen die Zwangsverheiratung mit einem wesentlich älteren Mann. Lieber würde sie sterben, als sich zu beugen und sich ihre Träume von Ausbildung und einem selbstbestimmten Leben „von diesen Leuten“, wie sie ihre Eltern nennt, zerstören zu lassen.

Nada al Ahdal kennt Fälle von Mädchen, die sich durch Selbstmord der Zwangsehe entziehen wollen. „Manche gehen ins Meer. Die sind jetzt tot“, sagt sie. „Das ist doch nicht normal für unschuldige Kinder.“ Für Millionen Kinder weltweit ist es leider doch entsetzliche Normalität: Jeden Tag werden laut dem International Research Center for Women (IRCW) 38.000 Kinder zur Ehe gezwungen.

Im Jemen müssen 48,4 Prozent der Mädchen heiraten, ohne dass sie gefragt würden. Damit liegt die Heimat von Nada al Ahdal erst auf Platz 14 der 20 Länder mit der höchsten Rate von Kinderehen. Den Spitzenplatz hält mit 76,7 Prozent Niger. Mit 43,3 Prozent ist Nicaragua der einzige lateinamerikanische Staat unter den Top 20. Die anderen 19 sind afrikanische und asiatische Länder.

//1//Kinderehen kommen in vielen Kulturen und allen Religionen vor. Hauptursache sind Armut und eine Geringschätzung von Mädchen. „Sobald Mädchen die Grundschule absolviert haben, werden sie so schnell wie möglich verheiratet, aus Angst, das Mädchen könnte auf ein weiterführende Schule gehen. Das würde zu viel Geld kosten“, sagt Virginia Saldanha, Frauenrechtlerin und katholische Theologin in Mumbai.

In Indien sind Kinderehen verboten, „seit den Zeiten der britischen Kolonie“, sagt Saldanha. Aber die 65-jährige weiß auch, dass Traditionen, ein patriarchalisches Denken, Armut und Korruption die Durchsetzung der Gesetze behindern. Nicht selten endet ein Konflikt zwischen Recht und Tradition in Gewalt. Die Sozialarbeiterin Bhanwari Devi etwa zeigte in einem Dorf in Rajasthan einen Fall von Kinderehe an. Die betreffenden Familien gehörten einer höheren Kaste an, Bhanwari Devi einer niederen Kaste. Sie wurde zur Strafe kollektiv vergewaltigt, berichtet Saldanha.

Im benachbarten Pakistan sollen 42 Prozent aller Mädchen bereits vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet sein. Zwar betont der Religionswissenschaftler Maulana Ghousul Kabir, das islamische Recht dränge keineswegs auf eine frühe Eheschließung. Aber die landläufige Auffassung in Ländern wie Pakistan oder Jemen sieht anders aus.

Es gibt jedoch auch Zeichen des Wandels. Bildung und Bewusstseinsarbeit haben laut Saldanha das gesetzliche Mindestalter verankern helfen. Mädchen besuchen höhere Schulen und heiraten teils erst weit in ihren 20ern oder noch später. „Viele gut ausgebildete und berufstätige Frauen weigern sich sogar zu heiraten“, sagt Saldanha.

Die elfjährige Nada al Ahdal oder auch Malala aus Pakistan, die wegen ihres Eintretens für Bildung von Taliban niedergeschossen wurde – für Saldanha zeigen diese Mädchen beispielhaft, dass sich immer mehr Kinder ihrer Rechte bewusst sind. Aber noch gibt es viele – zu viele – Mädchen, die keine andere Möglichkeit haben, als sich ihrem Los zu ergeben. Eine davon ist Rebeca aus Bangladesch.

Rebeca war 14, als sie einen 39 Jahre alten Mann heiraten musste. In den ersten Monaten wehrte sie sich mit Schreien gegen Sex. Irgendwann gab sie auf. Ihr Mann infizierte sie mit Geschlechtskrankheiten. Heute, mit 20, hat sie zwei Operationen wegen Geschwüren an der Gebärmutter hinter sich. Auf die Frage, warum ihre Eltern sie so früh verheirateten, sagt sie nur: „Was nützt es, darüber zu sprechen? Diese Ehe wird als gut angesehen. Ich denke nicht darüber nach, ob sie wirklich gut ist oder nicht. Ich muss da drinbleiben.“

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Hintergrund: Indiens Geißel – Vergewaltigungen und gezielte Abtreibungen

(iz). Es gehört zu den orthodoxen Grundannahmen unserer Erziehung, dass sich die Gattung Mensch im Zustand eines kontinuierlichen Fortschritts befände. Nicht nur der übel beleumdete Kultur­skeptiker dürfte dies grundsätzlich in […]

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Gwadar, das neue Dubai?

(iz). In seinem bahnbrechenden Aufsatz über „Die Rache der Geographie“ schrieb der US-Autor Robert D. Kaplan vor wenigen Jahren: „An der Kreuzung der Reiche kann die Hafenstadt Gwadar zum Knotenpunkt […]

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"Muslime & Globalisierung" – Nicht nur am Horn von Afrika, auch anderswo vergrößern die Warenmärkte und die Politik die Anzahl der Notleidenden. Von Malik Özkan

(iz). Die abstrakten Zahlen sind erschreckend genug: Im Augenblick verzeichnen internationale Organisation wie das UN-Lebensmittelprogramm oder Oxfam beina­he eine Milliarde Hungernde. Aber wir nehmen – trotz der sofortigen Verfügbar­keit relevanter […]

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